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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Mutter den Tod gebracht und die Tragödie seines Lebens verursacht. Vielleicht lag es nur zwei Räume weiter unter Verschluss. Doch er spürte nichts. Er hätte irgendwo sein können; und dabei war er überzeugt gewesen, dass er es fühlen würde, wenn er sich ihr näherte. Er hätte gern Pater Hernando gefragt, der unruhig wirkte und seinen Kopf immer wieder hin und her drehte, als lausche er einem unhörbaren Gesang. Die Kerzenflammen spiegelten sich in seinen Brillengläsern und machten seine Augen unsichtbar.
    »Vertrauend auf Ihr Verständnis hat mir der Kaiser eine Hundertschaft Soldaten mitgegeben, die vor der Stadt kampieren. Ich kann ihnen jederzeit befehlen, Ihnen bei der Suche zu helfen, dann werden Sie und die ganze Klostergemeinschaft nicht mit dem Durchstöbern des Klosters behelligt.«
    »Eine weise und zuvorkommende Maßnahme.«
    »Natürlich wäre es mir lieber, wenn wir die Männer nicht bemühen müssen. Mit der Pest und allem …« Andrej gestikulierte vage in Richtung Tür.
    »Natürlich.«
    Andrej hatte kaum mit Pater Hernando gesprochen, während sie zum Wagen eilten. Die Idee, mit dem Dominikaner allein loszufahren, war Andrej blitzartig gekommen, und er hatte sofort gewusst, dass es richtig war. Hernando würde die Teufelsbibel verbrennen, wenn er sie in die Finger bekam, und ein Mann, der so weit wie er gekommen war und in dessen Augen die absolute Entschlossenheit zu lesen war, nämlich dass er weder sein Leben noch das irgendeines anderen Menschen schonen würde, um das Vermächtnis des Satans zu vernichten, würde sein Ziel auch erreichen, wenn man ihm nur ein wenig dabei half. Was für einen Sinn hätte es, Cyprian und Agnes zusätzlich in Gefahr zu bringen? Cyprian war ein Freund geworden, wie Andrej ihn nie besessen hatte, und Agnes – Andrej scheute davor zurück, in diese Richtung zu denken. Er hatte Agnes angesehen und plötzlich das Gefühl gehabt, ihr ins Herz blicken zu können. Die Liebe zu Yolanta und die Trauer um sie waren noch immer die stärksten Gefühle, die ihn erfüllten, und doch – Agnes hatte ihn im Inneren berührt. Es war nicht nur um ihretwillen besser, ohne sie hierherzukommen, sondern um ihrer aller willen. Er, Andrej, würde bei diesem Unternehmen vermutlich den Tod finden, und das war besser, als das Andenken an Yolanta, die Freundschaft zu Cyprian und die kümmerlichen Reste seiner eigenen Ehre zu besudeln.
    »Ich bin trotzdem erstaunt, dass der Kaiser oder wenigstens Ihr Onkel Ihnen keine Legitimation mitgegeben haben«, sagte der Abt.
    Das liegt daran, dass geplant war, dass der echte Cyprian Khlesl und der Bischof selbst vor dir sitzen, dachte Andrej. Jedenfalls soweit ich das Ganze verstanden habe . Er ahnte, dass Cyprian ihm nicht alles erzählt hatte.
    »Haben Sie das Wappen meines Onkels auf seinem Wagen nicht gesehen?«
    »Doch, aber … mit Verlaub, Herr Khlesl … jedermann kann einen Wagen stehlen und ihn als seinen ausgeben.«
    Andrej zuckte nicht mit der Wimper. »Wer würde es wagen, einem Bischof den Wagen zu stehlen!«
    »Man hat Bischöfen schon die Pferde gestohlen und vor ihren Augen aufgegessen.«
    Pater Hernando bewegte die Schultern und rutschte erneut auf seinem Sitzplatz herum. Wie ein kalter Schauer überfiel Andrej die Erkenntnis, was mit dem Dominikaner los war: er spürte die Teufelsbibel! Als hätte eine Gedankenverbindung zwischen ihnen bestanden, drehte der Mönch den Kopf herum und starrte Andrej in die Augen. Andrej war schockiert. Warum fühlte er gar nichts, wenn der Dominikaner, dessen Leben nicht von dem verfluchten Codex bestimmt gewesen war, sie wahrnehmen konnte?
    »Außerdem«, sagte Andrej und bemühte sich, leichthin zu klingen, »wäre es doch unrühmlich, wenn es ein Dokument gäbe, aus dem hervorgeht, dass der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs um ein Kleinod bittet wie ein Krämer, anstatt dass es dem Besitzer eine selbstverständliche Ehre wäre, es ihm zu überlassen.«
    Der Abt lächelte und nickte. Er lehnte sich zurück. »Ich verstehe, was Sie mir eigentlich sagen wollen.«
    »Leider verstehe ich Ihre Anspielung nicht, Ehrwürden.«
    »Wissen Sie, mir hat Gott die Subtilität der Sprache nicht verliehen. Ich verlasse mich daher auf Symbole.« Er machte eine knappe Handbewegung zu dem Mönch hin, und dieser ließ seinen Mantel auseinanderklaffen. Andrej sah die schwarze Kutte, bevor er die Armbrust sah, die sich auf ihn und Hernando richtete. Für ein paar Momente war er vollkommen fassungslos.

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