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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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haben.«
    Cyprian musterte ihn. Andrej versuchte ein Lächeln, doch bei Cyprians Worten blieb es ihm im Hals stecken. »Pass auf dich auf. Trotz allem wartet jemand in Prag auf dich.«
    Es kostete Andrej fast seine ganze Kraft, gelassen zu nicken. »Ich habe es nicht vergessen.« Er wandte sich zu Pater Hernando um. »Comitare mihi velociter.« Er hatte wie immer das Gefühl, dass es grammatikalisch nicht einwandfrei klang, aber der Dominikaner schloss sich ihm wortlos an, und das war es, worauf es ankam.
    18
    Nachdem Cyprian die beiden Toten nebeneinandergelegt und ihren Körpern mit Hilfe der Kutten und der schwarzen Mäntel eine gewisse Würde zurückgegeben hatte, legte Agnes alle Steine, die sie hatte finden können, rund um die Leichen. Die Steine würden die Bedeckung für eine Weile festhalten. An ein Begräbnis war nicht zu denken: wo der Boden nicht lediglich aus einer dünnen Handbreit Humus über dem Granit bestand, war er derart mit Wurzeln durchzogen, dass kein Grabgerät der Welt ein Loch hätte schaufeln können. Es gabnichts mehr zu tun. Cyprian trat beiseite. Agnes gesellte sich zu ihm, und er sah sie an und bekam es mit der Angst zu tun. Er war nicht sicher, ob er ihr auf dem Rückweg zum Lagerplatz wirklich hätte erzählen sollen, was er über ihre Herkunft herausgefunden hatte. Sie hatte zu seinen Worten genickt und keinen allzu überraschten Eindruck gemacht, doch mit der veränderten Agnes, die er in der Felsarena zum ersten Mal gesehen hatte, war er sich seines Urteils nicht mehr sicher.
    Die Angst war schon vorher da gewesen, aber jetzt hatte sie Zeit, sich zu entfalten. Die Suche nach Agnes, die ihn hierhergeführt hatte, war ebenfalls von Angst bestimmt gewesen, aber eine Angst, die er bekämpfen konnte, indem er aktiv war – den Wagen lenkte, Leute befragte, sich mit Andrej beriet. Was er jetzt fühlte, war eine ganz andere Sorte von Angst. Er konnte ihr keinen Namen geben, er wusste nur eines: er konnte sie nicht mit Aktivität bekämpfen. Es gab nichts für ihn zu tun. Er war hierhergekommen, um Agnes zu finden, er hatte sie gefunden, und nun lag es an ihr, zu entscheiden, was weiter geschehen würde. Cyprians letzter Entschluss war gewesen, den Dominikanermönch nicht zu erschießen, und es war so knapp gewesen! Im Nachhinein hatte er das Gefühl, schon abgedrückt und dann erst die Armbrust zur Seite gezogen zu haben – die Angelegenheit eines Sekundenbruchteils. Ein Lidschlag hatte entschieden, ob Cyprian zum Mörder wurde oder nicht. Die Entscheidung war die richtige gewesen, aber seither fühlte Cyprian die Angst.
    »Die Straße ist nur hundert Schritte oder so von hier entfernt. Wir haben den Wagen bei den ersten Felstürmen draußen stehen lassen. Andrej müsste jeden Moment mit ihm hier eintreffen.«
    Agnes musterte ihn und nickte. Er ahnte, dass es tausend andere Dinge gegeben hätte, die zu sagen mehr zur Situation beigetragen hätten. Plötzlich war er überrascht, dass er sie einfach so geküsst hatte. Sie hatte den Kuss erwidert. Aberseither hatte sie kein Wort mehr zu ihm gesagt. Sie war sich über ihre Gefühle ihm gegenüber klar geworden? Wie sollte er das deuten?
    Plötzlich wünschte er sich, umzukehren. Was zum Teufel hatte ihn dazu bewogen, Pater Hernandos verrücktes Angebot anzunehmen? Was Agnes, Andrej und Cyprian selbst betraf, war die Geschichte beendet. Die Teufelsbibel? Sollte Onkel Melchior sie sich holen! Wenn ihre letzte Kommunikation funktioniert hatte, war der Bischof bereits in Prag eingetroffen. Wenn Pater Hernando sie vorher in die Finger bekam? Gut! Sollte er sich mit ihr verbrennen, ertränken, in die tiefste Erdspalte stürzen, Hauptsache, das Ding war weg und der Dominikaner mit ihm!
    Und wenn Pater Xavier sich ihrer bemächtigte?
    »Ich höre den Wagen«, sagte Agnes.
    Er warf ihr einen Seitenblick zu. Sie erwiderte ihn. Er fühlte, wie sich ein »Keine Sorge, alles wird gut!« auf seine Lippen drängte. Er konnte es im letzten Moment hinunterschlucken.
    »Agnes …«, sagte er stattdessen. Seine Erinnerung spülte das Selbstgespräch hoch, das er geführt hatte, als er aus Podlaschitz wieder nach Prag zurückgekehrt war. Wie sollte er die Erkenntnis, die ihn dort getroffen hatte, umsetzen? Sollte er einfach sagen: »Agnes … du warst immer das Wichtigste für mich auf der Welt, aber manchmal habe ich mich so verhalten, als sei das nicht der Fall. Ich nahm deine Liebe als selbstverständlich hin. Ich weiß jetzt, dass Liebe nie

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