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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sie auch«, sagte Andrej in die Stille, die nach dem Schuss über die natürliche Arena sank und in der das Echo der Armbrustsehne peitschend widerhallte.
    Der Dominikaner sah an sich herunter. Dann hob er den Kopf und starrte Cyprian an. Von seinen Augen war fast nur noch das Weiße zu sehen. Er tat einen langen, stöhnenden Atemzug.
    Andrej nahm die Klinge von seinem Hals und trat beiseite. Die Klinge war ein Eiszapfen, weiter nichts. Andrej zerbrach ihn zwischen den Fingern und warf ihn weg. Die Knie des Dominikaners bebten und begannen einzuknicken. Cyprian ließ die Armbrust aus seinen fühllos gewordenen Fingern sinken. Er sah immer noch die Geisterbilder der Funken vor seinen Augen, die die Eisenspitze des Armbrustbolzens aus den Felsen geschlagen hatte. Er hatte ihn nach etlichen Querschlägern eine ganze Strecke weit entfernt in dem engen Gang, aus dem der Dominikaner und Andrej gekommen waren, zu Boden fallen hören.
    Cyprian drehte sich um, fasste Agnes’ Kapuze an und streifte sie nach hinten. Ihr Gesicht war schmutzig, ihre Augen groß und ihre Lippen bleich. Er beugte sich nach vorn, nahm sie in die Arme und küsste sie wortlos auf den Mund.
    17
    »Das ist eine Wiedersehensfeier«, sagte Andrej auf Lateinisch zu dem Dominikaner. »Geben wir ihnen ein bisschen Zeit und machen wir’s uns hier gemütlich.«
    Er hatte die Armbrust aufgenommen und mit einem der Bolzen geladen, die in der Kutte des Mönchs gesteckt hatten und jetzt in seinem Wams. Die Armbrust machte eine einladende Bewegung. Der Mönch, der noch immer Schwierigkeiten mit der Erkenntnis zu haben schien, dass Cyprian ihn nicht erschossen hatte, faltete sich zusammen und setzte sich wie ein Sack. Andrej hockte sich neben ihn. Das Gras war hier, wo der Schnee abgetaut war, so gut wie trocken.
    »Wer seid ihr?«, fragte der Mönch. Er beherrschte das Lateinische, als sei es seine Muttersprache. Andrej, dessen Kenntnisse weit dürftiger waren, hatte dennoch keine Probleme damit, ihn zu verstehen.
    »Stell dir einfach vor, ich hätte dir diese Frage gestellt«, sagte er.
    Der Dominikaner schwieg. Andrej setzte sich so, dass er Agnes und Cyprian im Rücken hatte. Agnes’ Weinen und Cyprians wortloses, blasses Gesicht, mehr noch aber die Umarmung, mit der sie sich gegenseitig zu erdrücken schienen, brach sein Herz. Er sah, wie sich Yolantas Gesicht vor das des Dominikaners schob, und wusste, dass er nicht zulassen konnte, dass ihn die Trauer einholte. Seine Stimme hörte sich gepresst an, und er erkannte, dass der Dominikaner es vernommen hatte. Die Augen hinter den Brillengläsern sahen ihn an wie die eines Mannes, der es gewöhnt war, in Menschen hineinzusehen und ihren wahren Seelenzustand zu erraten – bevorzugt, wenn diese Menschen vor Schmerz brüllend an der Streckleiter hingen. Es kostete ihn Mühe, dem Blick nicht auszuweichen.
    »Deine Brüder sind tot«, sagte Andrej.
    Die Augen zogen sich zusammen. »Tot?« Er fragte nicht, woran sie gestorben waren. Dass es nur durch Gewalt gewesen sein konnte, schien vollkommen klar zu sein.
    »Ich nehme an, dass du es nicht getan hast, und ich weiß , dass wir es nicht getan haben. Stellt sich die Frage, wer hiernoch im Wald herumläuft und schwarze Gedanken wälzt. Von den berühmten Gesetzlosen dieses Felsenlabyrinths habe ich noch nichts gesehen. Was hältst du davon, zwei Kollegen von dir zu verdächtigen – Mönche in schwarzen Kutten?«
    Es war ein Schuss ins Blaue gewesen, und er rief keinerlei Reaktion hervor.
    »Das ist Pater Hernando de Guevara«, sagte Agnes’ Stimme hinter Andrej. Er warf einen raschen Blick über seine Schulter. Sie und Cyprian standen dicht hinter ihm. Cyprian hatte den Arm um sie gelegt. Ihre Wangen und ihre Nase waren rot vom Weinen. Mit einem Stich, der ihn selbst am meisten überraschte, erkannte Andrej, dass er sich trotz aller Verzweiflung über Yolantas Tod zu Agnes hingezogen fühlte. Verwirrt starrte er sie an und vergaß den Dominikaner. Agnes wies mit dem Kinn auf ihn. »Er ist hierhergekommen, um ein Buch zu vernichten. Er sagt, es sei das Vermächtnis des Bösen, und er sei schuld daran, wenn es aufgeschlagen würde.«
    »Die Teufelsbibel«, sagte Andrej. Der Dominikaner zuckte zusammen und rutschte hin und her. Andrej zielte halbherzig auf ihn. Er konnte die Augen nicht von Agnes wenden.
    »Er glaubt, ich habe etwas mit diesem Buch zu tun. Er sagt, er habe in Wien einen Hinweis erhalten, der ihn zu mir geführt hat.«
    Cyprians Augen verengten sich,

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