Die Teufelsbibel
überlebt es auch nicht.«
Andrej riss den Blick mit körperlicher Anstrengung von dem auf ihn zielenden Armbrustbolzen los. Der Mönch, der den Abt festhielt, wandte sich ihm zu, seine Kapuze fiel zurück, und Andrej sah das breite, grinsende Gesicht Cyprians. Die schwarze Kutte fiel auseinander und offenbarte, dass sie ein Dominikanermantel war, verschmiert mit getrocknetem Blut und Erde.
»Wir haben leider den Wagen verpasst«, sagte Cyprian.
Der zweite schwarze Mönch war Agnes. Sie zielte auf Bruder Pavel, der allein hinter dem Tisch des Abts stand und in seiner Zierlichkeit und seiner einsamen Gefechtsposition plötzlich eher Mitleid erregend als bedrohlich wirkte. Der Abt ächzte und versuchte, seinen Befehl zu wiederholen, aber Cyprian drückte zu stark zu. Das Gesicht des Abts verfärbte sich dunkelrot.
»Lang hält er das nicht aus«, sagte Cyprian zu Bruder Pavel. »Leg die Waffe weg.«
»Ist das einer von den schwarzen Mönchen?«, fragte Agnes. »Ist das einer von denen, die mein Haus angezündet haben?«
Bruder Pavels Kopf ruckte herum. Die Bewegung ließ seine Kapuze nach hinten gleiten und offenbarte das Gesicht eines geschundenen Mannes – blau geschlagen, abgeschürft, verhärmt, bleich. Seine Augen wurden weit, als er Agnesansah und verstand, was ihre Worte bedeuteten. Ihre Blicke verkrallten sich ineinander.
»Du hast die Falsche erwischt, Idiot!«, sagte Agnes voller Hass.
Bruder Pavel riss die Armbrust herum. Andrej schnellte die Beine nach vorn und traf den Tisch. Die Platte flog dem kleinen Mönch gegen den Leib. Er knickte zusammen. Der Armbrustbolzen ging los und fuhr harmlos in den Tisch. Bruder Pavel fiel zu Boden. Der Abt schlug mit den Armen um sich und versuchte sich zu befreien. Cyprian wirbelte ihn herum, nahm ihn in den Schwitzkasten und drehte ihm einen Arm auf den Rücken. Der magere Mann hing fast wie ein Kind in Cyprians Griff.
Von draußen ertönte plötzlich Geschrei.
»Schnapp dir den Burschen«, keuchte Cyprian. Andrej sprang zu dem mühsam auf die Beine kommenden Pavel hinüber. Wenn die Tonsur nicht gewesen wäre, hatte er ihn am Schopf gepackt und an den Haaren hochgerissen, und danach wäre er vielleicht über ihn hergefallen. So aber musste er ihn unter den Armen packen, und als er so gut wie kein Gewicht in den Händen hielt und der Mönch aufschrie, als er dessen Rippen streifte, verflog die Mordlust. Er legte ihm den Arm um den Hals und schleifte ihn hinter sich her. An den Armen brach ihm Gänsehaut aus beim Gedanken, dass dies ein Wesen genau wie das war, das seine Eltern auf dem Gewissen hatte.
»Los, Pater Hernando!«, rief Cyprian. »Du zuerst. Nichts wie raus hier!«
Der Dominikaner hastete durch die Tür. Cyprian folgte ihm mit dem Abt. Agnes und Andrej sahen sich an. Dann wirbelte Agnes herum und war durch die Tür, in ihrem weiten, flatternden Mantel und dem wehenden Haar wie eine Amazone wirkend, die aus dem Mythos in die Realität geraten war. Andrej packte den strampelnden schwarzen Mönch fester und stolperte hinterher. Im Gang lagen zwei reglose schwarze Gestalten, die Wachposten, die der Abt hatte hereinholen wollen. Sie mussten aufgezogen sein, nachdem Andrej und Hernando die Zelle betreten hatten; der Abt hatte von vornherein geplant, sie nicht mehr gehen zu lassen. Neben den beiden schwarzen Mönchen standen drei andere Klosterbrüder und riefen laut nach Hilfe. Ihre Rufe blieben ihnen im Hals stecken, als sie herumfuhren. Cyprian stieß einen von ihnen zu Boden, die anderen beiden flohen schreiend weiter in das Gebäude hinein. Cyprian führte sie in die entgegengesetzte Richtung.
Der Gang verlief durch ein weites Tor ins Freie hinaus auf eine Treppe und zu einem freistehenden, torlosen Bogen; dahinter tat sich der Vorhof des Klosters auf, und das Haupttor zur Stadt hinaus. Andrej nahm zwei, drei Stufen auf einmal; fast trug er den Mönch, der verzweifelt versuchte, sich loszureißen. Er erreichte den Torbogen zusammen mit den anderen, sah Cyprian sich ducken und hörte im gleichen Moment das metallische Klingen von Armbrustbolzen, die um sie herum einschlugen. Cyprian fluchte. Andrej sah Klosterknechte, die sich beim Haupttor verschanzt hatten und ihre Armbrüste nachspannten; er sah einen weiteren über die Mauer zum Klostergarten lugen, einen langen Stock auf die Mauerkrone gestützt, dann spuckte der Stock Feuer und Qualm. Neben Andrej platzte ein faustgroßes Stück Putz im Torbogen auseinander und spritzte ihm die Splitter ins
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