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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Dann setzte ein Reflex ein, der ihn bestimmte, seit er durch den Vorhang eines Graupelschauers gesehen hatte, wie ein Wahnsinniger in schwarzer Kutte mit seiner Axt unter Frauen und Kindern wütete – das Entsetzenschnürte ihm die Kehle zu. Pater Hernando saß auf einmal ganz still.
    Andrej konnte den Blick nicht von der Armbrust wenden. Vor zwanzig Jahren hatte ihn ein Schuss aus einer Armbrust davor gerettet, von einem Mönch mit schwarzer Kutte getötet zu werden; jetzt zielte ein schwarzer Mönch mit einer Armbrust auf ihn. Andrej war vollkommen klar, dass der Abt sie nicht einfach vor der Waffe her auf den Hof führen, in ihren Wagen steigen lassen und zur Abfahrt zwingen würde. Die Armbrust war gespannt, um zu töten, nicht um zu drohen.
    »Ich sehe, Sie haben meine Symbolsprache verstanden«, sagte der Abt.
    Ein neues Licht erfüllte plötzlich den kleinen Raum, in dem der Abt sie empfangen hatte. Es fiel durch das Fenster im Rücken des Abtes und malte einen rosenfarbenen Schimmer um seine Gestalt. Auf einmal warf er einen trüben, langsam tanzenden Schatten über die Schreibplatte des Tisches und zu Andrej und Hernando herüber. Andrej erkannte am überraschten Ausdruck des Abtes, dass sich das Licht auch auf seinem, Andrejs, Gesicht widerspiegelte. Der Abt wandte sich um.
    »Was ist da los?«
    Der schwarze Mönch glitt zum Fenster, ohne Andrej und Hernando aus dem Visier zu lassen. Er warf einen kurzen Blick hinaus. Das Licht begann rote Schatten in die Falten seines Gewandes zu werfen. Die Zelle des Abtes erfüllte ein warmes Glühen.
    »Einer der beiden Holzstapel brennt, ehrwürdiger Vater.«
    »Ich habe keine Anweisung gegeben, sie anzuzünden.«
    »Es sieht auch nicht so aus, als wäre es einer von den Brüdern gewesen.« Der schwarze Mönch wandte sich vom Fenster ab. Die Armbrust zeigte unbeirrt auf Andrej und den Dominikanerpater. »Die laufen draußen herum und versuchen, den Brand zu löschen.«
    Mit einem weiteren Schock sah Andrej die zerschundenen, aufgeschlagenen Hände des Mönchs, die tiefe eiternde Narbe über dem linken Handrücken, und als der Abt aufstand und selbst nachsah, erkannte er, wie klein der Mann war. Auf einer Woge von Gefühlen, die so verwirrend waren, dass nicht einmal Andrej selbst klar war, was er fühlte, stieg die Ahnung auf, dass er einen der zwei Mönche vor sich hatte, die in Prag gewesen waren und deren Spuren sie bis hierher verfolgt hatten. Einen der Mörder Yolantas. Er merkte erst, dass er sich halb von seinem Platz erhoben hatte, als die kühle Hand Pater Hernandos auf seine eigene fiel und der Daumen des schwarzen Mönchs sich plötzlich auf den Abzug senkte. Langsam ließ er sich wieder niedersinken. Seine Wangen glühten, und die Flammen in seinem Hirn brannten die Bestürzung weg. Zurück blieben Hass und Mordlust. Er wusste, was immer er hier zu erreichen wünschte, der Tod des kleinen Mönchs war mit einem Mal vordringliches Ziel. Ein Pochen und Vibrieren erfüllte ihn wie der Gesang eines unsichtbaren Chors, wie das Summen eines riesigen Schwarms Hornissen, den man hört, bevor man ihn sieht, und der einen uralten Instinkt im Menschen anspricht – so schnell wie möglich davonzulaufen. Entsetzt starrte Andrej in Pater Hernandos Augen und las die Gewissheit darin: Was er hörte, war die Teufelsbibel.
    »Ich hole die Posten vor der Tür herein«, sagte der Abt zu dem schwarzen Mönch und ging um den Tisch herum. »Ich muss wissen, was das Feuer zu bedeuten hat. Ich bin gleich wieder zurück.« Er öffnete die Tür. »Kustoden! Helft Bruder Pavel. Niemand verlässt diesen Raum!«
    Als er verstummte, drehte Andrej sich um. Der Abt kam rückwärts wieder herein. Zwei weitere schwarze Mönche folgten ihm. Einer hatte eine Hand an der Kehle des Abtes und hielt ihn mit der anderen Hand an der Kutte fest. Der zweite Mönch hielt eine Armbrust von der Machart, wie sie auch Bruder Pavel hatte. Er zielte auf diesen, und für einenkurzen Moment schien der kleine Mönch so fassungslos, dass er schwankte. Dann versteifte er sich wieder, und Andrej sah, dass er unverwandt auf ihn zielte.
    »Irrtum«, sagte der erste der beiden schwarzen Mönche. »Wir verlassen alle diesen Raum, und zwar sofort.«
    »Erschieß sie«, gurgelte der Abt. Bruder Pavel stand wie erstarrt.
    »Wir sind vier«, sagte der Mönch, der den Abt an der Gurgel hatte. »Du kannst nur einen von uns erschießen. Und was immer danach mit dir passiert, einer Sache kannst du dir sicher sein: der Abt

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