Die Teufelsbibel
Torbogen herum. »Ich warte nicht mehr lange!«, brüllte er hinaus. Ein Armbrustbolzen sprang klingend von der Stelle weg, an der gerade noch sein Kopf gewesen war. »Ist das alles, was ihr zu bieten habt?«, schrie Cyprian.
»Die Frau«, sagte der Abt und nickte zu Agnes hinüber, »ist noch am Leben. Pavel sagte mir, sie sei tot. Was ist passiert?«
»Bruder Pavel hat sich in der Person geirrt«, sagte Cyprian.
»Eine Unschuldige – Friede ihrer Seele.«
»Agnes ist ebenfalls unschuldig.«
»Du kannst nicht verstehen, was hier auf dem Spiel steht. Nicht einmal der Abgesandte des Bischofs von Wien kann es.«
» Ich bin der Abgesandte des Bischofs von Wien.«
Der Abt schwieg. Nach einer Atempause sagte er: »Auch diese Finte wird euch nichts nützen.«
»Wir sollten mal klarstellen, dass wir die Guten sind«, sagte Cyprian. »Wir wollen das Buch nicht für uns. Wir wollen es aus dem Verkehr ziehen.«
»Kein Mensch kann das Vermächtnis des Bösen vernichten. Ihr würdet scheitern. Die Teufelsbibel wäre stärker als ihr. Sie würde euch in ihren Bann ziehen.«
»Es gibt mehr als eine Lösung für dieses Problem.«
»Die Teufelsbibel bleibt hier!«, erklang die Stimme des Verhandlungsführers vom Haupttor her. »Über den freien Abzug können wir reden.«
»Na endlich«, knurrte Cyprian. Laut schrie er: »Denkt euch was Besseres aus!«
Aus dem Augenwinkel nahm er eine Bewegung vom Eingang zum Klostergebäude wahr. Pater Hernando hatte es geschafft, sich auf die Knie zu ziehen. Die Federn des Bolzens ragten unterhalb seines Herzens aus seiner Seite. Der Dominikaner ließ den Kopf hängen, schnappte krampfhaft nach Luft und schien dem Tod näher als dem Leben.
»Kommt raus, damit wir besser reden können!«
Cyprian hielt es für unter seiner Würde, zu antworten.
»Sie sind nur zu dritt!«, brüllte der Abt auf einmal. »Stürmt den Torbogen! Nehmt keine Rücksicht auf uns! Tötet sie!«
Cyprian fuhr herum. Der Kopf des Abtes schnappte nach hinten und prallte gegen eine Treppenstufe. Er sank in sich zusammen. Cyprian zog die Faust wieder zurück. »Vollidiot!«, flüsterte er zornig.
Er hörte, wie vom Haupttor her ein Befehl geschrien wurde, dann fing der Beschuss wieder an. Es musste mindestens ein Dutzend Männer sein – Klosterknechte, die zum Schutz der Gemeinschaft unter Waffen standen. Das Gewehr bellte los und riss ein weiteres Stück Putz aus dem Tor. Wenn sie genügend Pulver hatten, konnten sie den Torbogen über Cyprian und den Köpfen der anderen zusammenfallen lassen. Cyprian begann zu schwitzen; er konnte keinen Ausweg aus ihrer Lage erkennen. Sie waren um ein paar Augenblicke zu langsam gewesen.
Vom Tor her ertönte ein rollendes Geräusch. Cyprian fuhr zusammen. Es hörte sich an, als bringe jemand eine Feldschlange in Stellung. Wie war das mit dem Zusammenfallen des Tors gewesen? Er steckte die Finger in den Mund und pfiff. Andrej und Agnes sahen zu ihm herüber. Er hob dieHände, um hastig zu gestikulieren, aber da dröhnte der Krach auch schon los.
Er hallte über den Hof, als würde das gesamte Kloster eingerissen. Cyprian hörte das Splittern und Krachen, dazwischen Entsetzensschreie. Trümmerstücke sprangen über das Pflaster oder prallten berstend auf. Eine gelbweiße Wolke quoll durch ihren Torbogen und roch beißend nach Schwefel und Schwarzpulver. Cyprian sah handtellergroße Bruchstücke des Haupttores über die Pflastersteine hüpfen und rollen und erst bei den Treppenstufen liegen bleiben. Für einen Moment nahm ihm die Wolke die Sicht auf die anderen. Er hörte sie husten. Er nahm seinen Mut zusammen und spähte um seine Deckung herum.
Tatsächlich, eine Feldschlange. Allerdings stand sie außerhalb des Klosters vor dem, was einmal das Haupttor gewesen war. Die großen Türflügel waren geschlossen gewesen, aber das hatte keine Rolle gespielt. Der eine war vollkommen aus der Halterung gesprengt und lag im Gemüsebeet, der andere hing schräg in seinen Angeln und gab durch ein riesiges gezacktes Loch den Blick auf den Marktplatz von Braunau frei. Mit den letzten Resten der Geschützfeuerwolke drangen bunt gekleidete Gestalten in das Kloster, bewaffnet mit Hellebarden, Piken und Gewehren, und verteilten sich sofort zwischen den Trümmern des Tores. Befehle gellten. Cyprian sah, wie sie halb betäubte, halb taube, staubbedeckte und blutende Männer aus ihren Deckungen zerrten und in einer Ecke des Hofs zusammentrieben. Andere stellten sich sofort um das lodernde
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