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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Gesicht. Der Knall dröhnte zwischen den Gebäuden. Die Mönche, die um das Feuer herumliefen und es unkoordiniert zu löschen versuchten, warfen tanzende, riesige Dämonenschatten auf die Flanke der Klosterkirche.
    »Zurück«, schrie Cyprian. Er zerrte den Abt mit sich und ging hinter dem Torbogen in Deckung. Andrej krabbelte zur anderen Seite des Bogens und fand sich dort neben Agnes wieder. Bruder Pavel gurgelte und versuchte sich mit Ellbogenstößen freizumachen. Andrej stieß ihn mit der Stirn gegen den Torbogen. Der Mönch wurde ruhiger. Armbrustbolzenprallten auf die Treppenstufen unter dem Torbogen und jaulten funkensprühend davon. Das einzelne Gewehr des Klosterknechts dröhnte erneut los. Die Kugel fetzte eine der rostigen ehemaligen Türangeln im Bogen des freistehenden Tors aus der Verankerung.
    »Rein ging’s leichter als raus!«, brüllte Cyprian herüber.
    Andrej zuckte mit den Schultern. Er gab Agnes’ Blick zurück und fühlte sich auf einmal, als müsse er sie anlächeln. Sie erwiderte sein Lächeln flüchtig.
    »He!«, brüllte Cyprian zum Haupttor hinüber. »Wir haben den Abt! Hört auf mit dem Unsinn, oder ich dreh ihm den Hals um!«
    Die Antwort war ein verstärkter Hagel von Geschossen. Das Gewehr war nicht mehr dabei – der Schütze hatte entweder geplatzte Trommelfelle oder wartete, bis sich jemand zeigte, um kein kostbares Pulver zu verschwenden. Andrej sah sich gehetzt um.
    »Wo ist Pater Hernando?«, schrie er zu Cyprian hinüber.
    Cyprian machte ein verbissenes Gesicht und deutete zum Eingang des Klosters. »Ihn hat’s erwischt.«
    Der Dominikaner lag halb in der Deckung der wuchtigen Bogenlaibung des Eingangstors zum Klosterbau. Ein Armbrustbolzen steckte in seiner Seite. Von seiner Position aus konnte Andrej nicht sehen, ob der Mann noch atmete. Jedenfalls bewegte er sich nicht mehr. Andrej unterdrückte einen Fluch.
    Agnes packte den halb betäubten schwarzen Mönch am Kinn und drehte sein Gesicht zu dem ihren. Er sah sie mit flatternden Augenlidern an.
    »Ich bin Agnes Wiegant!«, zischte sie. »Ich bin das Kind einer französischen Protestantin, die bei euch Schutz gesucht hat! Ihr habt meine Mutter ermordet, ihr habt mir mein Leben gestohlen, und jetzt wolltet ihr auch mich umbringen! Sieh mich an und sag, dass es dir leidtut!«
    »Was wollt ihr?«, rief eine Stimme vom Haupttor her. Andrej stellte fest, dass der Beschuss aufgehört hatte. Die Stimme ging fast im Prasseln des Feuers unter. Die Mönche hatten ihre Löschbemühungen eingestellt, und das Feuer arbeitete sich auf seinen Höhepunkt zu. Funken wirbelten bis zur Höhe der Dachfirste auf, der Feuerschein beleuchtete das architektonische Massiv des Klosterbaus, der hinter ihnen aufragte, und sandte Rauch und warme Windstöße bis zu ihnen. Allem Anschein nach standen sie bereits an der Schwelle zur Hölle. Andrej sah jetzt, dass Pater Hernando noch am Leben war: er versuchte, weiter in den Eingang hineinzukriechen. Er überlegte, ob es ein unmäßiges Risiko gewesen wäre, zu ihm zu hasten und ihn in Deckung zu ziehen, aber die Einzige, die es hätte tun können, wäre Agnes gewesen; sowohl Cyprian als auch Andrej selbst hätten ihre Geisel dazu loslassen müssen. Andrej fluchte.
    Bruder Pavel schüttelte plötzlich den Kopf. Andrej, der halb auf dem Rücken lag und den Mönch auf sich gezogen hatte, damit er ihn besser festhalten konnte, sah jedes seiner Mienenspiele in Agnes’ Gesicht gespiegelt.
    »Die Teufelsbibel!«, brüllte Cyprian, und, als wäre es etwas, was ihm erst nachträglich eingefallen war: »Und freien Abzug!«
    »Wie kommst du darauf«, fragte der schwarze Mönch ruhig, »dass deine Mutter eine von den Französinnen war?«
    20
    Als auf Cyprians Forderung keine Antwort kam, sprach der Abt zum ersten Mal seit ihrer Flucht aus dem Gebäude. Cyprian lag halb auf ihm hinter dem Torbogen, aber er hatte seinen Hals losgelassen und verdrehte ihm auch nicht mehr den Arm.
    »Es ist sinnlos«, sagte er. »Ich werde mein Leben nicht gegen das Buch eintauschen. Ich habe ein Gelübde getan.«
    »Vielleicht willst du ja sein Leben eintauschen«, knurrte Cyprian und deutete zur anderen Seite des Torbogens hinüber, wo Agnes, Andrej und der kleine schwarze Mönch lagen.
    »Pavel ist ein Kustode. Als Beschützer der Teufelsbibel zu sterben ist der geringste Dienst, den ein Kustode erbringen kann.«
    »Du würdest ihn opfern?«
    »Er würde sich selbst opfern.«
    Cyprian richtete sich halb auf und spähte um den

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