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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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medizinischer Funktion. Die beiden anderen waren äußerlich vollkommen unscheinbar, wenn man von dem unverhohlenen Hass absah, der hinter der Überraschung lauerte, mit der sie Andrej musterten. Andrej kannte sie – sie hatten dafür gesorgt, dass sein Herr, der mit drei in Samt ausgeschlagenen Wagen in Prag angekommen war, nach nur wenigenMonaten mit einem Berg von Schulden geflohen war. Edward Kelley und John Dee waren die Leib-und-Magen-Alchimisten des Kaisers, und sie hatten den neu aufgetauchten Rivalen aus Italien binnen kürzester Zeit diskreditiert und ruiniert; Andrej wusste, dass sich Giovanni Scoto heimlich dafür gerächt hatte, indem er nacheinander die Frauen der beiden englischen Alchimisten und dann deren Mätressen beglückt hatte – Mak’ die Bett sauber, Andrea! Der vierte Mann war ein Zwerg mit einer Schellenkappe und lächerlich aufgebogenen Schnabelschuhen, der neben der einzigen Tür in der Rückwand des Raumes auf dem Boden saß und die Neuankömmlinge mit illusionslosen Froschaugen musterte.
    »Ist das der Alchimist?«, fragte der Mann in Schwarz.
    »Ich muss protestieren«, kollerte Edward Kelley. »Jener ehrenwerte Edelmann aus Italien kann nicht genannt werden ein Alchimist. Die Alchimie ist eine Wissenschaft! Und abgesehen davon dieser Mann hier ist definitiv nicht …«
    »Nein, Doktor Guarinoni«, keuchte Lobkowicz und richtete sich mühsam auf. »Das ist der, den wir an seiner Stelle reinschicken. Der Alchimist hat das Weite gesucht.«
    Kelley und Dee warfen sich Blicke zu. Der kaiserliche Leibarzt maß Andrej an seiner polierten Metallscheibe vorbei. Er schüttelte den Kopf. »Merda!«, sagte er.
    »Und?«, fragte Lobkowicz.
    Der Arzt zuckte mit den Schultern. »Rein mit dem Kerl.«
    Lobkowicz schob Andrej auf die Tür zu. Der Arzt eilte neben ihnen her, um sie zu öffnen. Er drückte sie nur einen ganz kleinen Spalt auf. Der Zwerg folgte ihnen mit seinen hervorquellenden Augen. Andrej starrte ihn an. Der Zwerg hob einen dicken Finger und tippte sich an die Nase.
    »Viel Glück, Kumpel«, sagte er.
    Dann stand Andrej plötzlich in einem Raum, in dem die Nacht entweder schon hereingebrochen oder aus dem sie niemals gewichen war und in dem die Luft nach ungewaschenerHaut, Fäkalien, verschimmeltem Essen und ranzig gewordener Lust stank. Wachskerzen blakten müde gegen Dunkelheit und den Geruch an; Tranlampen hätten den Raum wahrscheinlich explodieren lassen. Die Tür fiel ebenso sanft wie endgültig hinter Andrej ins Schloß: KLACK!
    »Meister Scoto?«, fragte eine Stimme wie aus einem Grab heraus. Andrej musste an sich halten, um nicht aufzuschreien.
    »Äh, äh, äh«, machte er.
    »Meister Scoto?«
    Andrej fiel auf die Knie. »Nein, Majestät«, brachte er heraus. Nein, Majestät, ich bin nur der Lakai des Mannes, der Majestät Kasse um eine Truhe voller Gold und Silber erleichtert hat, nicht zu sprechen von einer höchst kostbaren – äh – Nuss? Der Mann, den Majestät zu sehen wünschten, hat das Weite gesucht, aber ich bin hier, und Majestät können mir den Bauch aufschneiden und die Därme herauswickeln lassen, weil ich nämlich sonst nichts beherrsche, was zur Belustigung dienen kann, außer ›Drei Mösen für einen Pimmel‹, aber das ist Betrug, und Majestät fänden es bestimmt nicht erheiternd, wenn Majestät zuerst vom Herrn und dann seinem Diener über den Löffel balbiert würden. Andrejs Gedanken kamen knirschend zum Stillstand. Er zitterte am ganzen Körper. »Nein, Majestät«, echote er.
    Zwischen den Schatten unter dem Baldachin des in der Mitte des Raumes stehenden Bettes regte sich ein noch dunklerer Schemen. Die lederne Bettaufhängung quietschte. Etwas Massiges wälzte sich aus den Decken, stand ächzend auf. Andrej spürte, wie sich der Parkettboden senkte, als der Schatten sein Gewicht auf seine Füße verlagerte. Eine Kerze wanderte mit, als der Kaiser auf Andrej zutappte, den Geruch eines Mannes vor sich herschiebend, der tagelang in seinen eigenen Körpersäften gelegen und sich nicht darum gekümmert hat. Andrej hörte ein metallenes Scharren, dann hing die Kerze plötzlich dicht vor seinen Augen, und gleichzeitig berührteetwas eisig Kaltes seine Kehle. Andrej machte ein Geräusch wie ein Kätzchen und spürte seinen Unterleib zu Brei werden.
    »Was willst du?«, fragte der Kaiser. Die Worte ritten auf drei Wellen Kloakengeruch heran.
    Der Druck der Schwertklinge an seinem Hals war für Andrej wie die Berührung der Sense des großen

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