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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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meine – die Gassenratten, – ich meine –«
    »Er meint das Geschmeiß, das sich in den Gassen herumtreibt und keine Eltern, kein Zuhause, kein Brot und keinen Anstand hat und versucht, die ehrenwerten Bürger zu bestehlen und zu betrügen«, sagte Rozmberka.
    Lobkowicz blinzelte. » Das Spiel«, sagte er. »Das kenne ich unter dem Namen ›Drei Nonnen und der Vater Abt‹.« Er klappte plötzlich den Mund zu und errötete.
    » Ich kenne dieses Spiel nicht«, erklärte Rozmberka.
    Lobkowicz begann Andrej wieder vorwärtszuzerren. »Weiter, weiter!«, keuchte er. »Du kannst mit dem Kaiser keine Glücksspiele veranstalten.«
    »Besonders kein so betrügerisches«, sagte der Reichsbaron.
    »Ich dachte, Sie kennen dieses Spiel nicht, mein lieber Rozmberka?«
    »Was man so hört«, sagte Rozmberka und verschoss über Andrej hinweg tödliche Blicke in Richtung Lobkowicz.
    »Was noch? Was noch? Du bist doch nicht umsonst all die Jahre der Assistent von Meister Scoto gewesen!«
    »All die Jahre?«, kreischte Andrej. »Er hat mich erst hier in Prag aufgelesen! Und ich habe nur für ihn saubergemacht, sonst nichts!«
    Lobkowicz schlug sich an die Stirn und fluchte vor sich hin, ohne dass es ihren Vormarsch wesentlich verlangsamt hätte. Jetzt kamen sie in einen Saal, der breiter schien als die Gassenflucht vor Scotos Haus lang war und sich so weit erstreckte, dass die Tritte ihrer Schuhsohlen ein hörbares Echo warfen, mit einer Decke, die kaum weniger tief hing als draußen der Himmel. Hindurch im Galopp – linker Hand führte eine Tür hinaus, der Reichsbaron und der Oberstlandrichter steuerten Andrej in ihre Richtung und in ein Treppenhaus, in dem jede einzelne Treppenstufe tiefer war als der Wohnraum des Hauses am Moldauufer. Die beiden alten Reichsbeamten nahmen die Treppe, ohne zu zögern, in Angriff. Der füllige Rozmberka pfiff in Andrejs Ohr wie ein lecker Wasserkessel.
    »Vielleicht, wenn wir ihn vor den Augen des Kaisers ausweiden?«, schlug Rozmberka vor, als er am Ende der Treppe wieder zu Atem kam. »Da muss er selbst gar nichts können.«
    »Nein«, schnappte Lobkowicz. »Nicht, dass es mir um diese Kanaille hier ginge, aber der Anblick von aufgespulten Därmen vertreibt nicht mal mir die Melancholie.«
    In Andrejs Ohren gellten die Worte der beiden alten Männer um die Wette. Er stolperte mit ihnen mit, weil seine Panik zu groß war, um auch nur den zartesten Gedanken an Flucht zuzulassen. Es hatte den Anschein, dass sie in diesem Stockwerk die gleiche Strecke zurückliefen, die sie im Stockwerk zuvor nach vorn gekommen waren. Wenn Andrejs Entsetzen nicht so übermächtig gewesen wäre, hätte er sich vielleicht gute Chancen ausgerechnet, jahrelang nicht entdeckt zu werden, wenn er ausriss und sich irgendwo im Palast verbarg. Selbst seine Straßenratten-Instinkte waren blockiert; vor seinem inneren Auge sah er förmlich die Wand, auf die seinLeben zuraste und an der es zerschellen würde, und die Straßenratte war starr vor Angst.
    »Der Kaiser wird nach Blut schreien, wenn wir ihm einfach diesen Versager vorsetzen«, ächzte Rozmberka. »Machen Sie langsamer, Lobkowicz, mir platzt gleich eine Ader.«
    »Lieber schreit er nach seinem Blut als nach unserem, oder?«, versetzte Lobkowicz. Seine Stimme klang gequetscht vor Atemnot. Andrej wurde herumgerissen, die Doppelflügel eines Portals wischten an ihm vorüber, zwei Wachsoldaten standen stramm, rissen die Flügel der nächsten Tür in der gegenüberliegenden Wand auf und schlugen sie wieder zu, als sie den Raum dahinter betreten hatten. Abrupt blieben die Männer stehen. Andrej kämpfte um sein Gleichgewicht. Rozmberka brach auf einer Truhe zusammen und winselte nach Atem, während er sich mit beiden Händen Luft in das hochrote Gesicht zu schaufeln versuchte. Lobkowicz stützte sich mit beiden Händen auf die Knie und keuchte den Parkettboden an. »Alles wegen einer Scheiß-Nuss! Ich bin zu alt für diesen Mist!«
    Vier andere Männer befanden sich im Raum. Einer von ihnen war hager, hochgewachsen und vollkommen schwarz gekleidet wie ein Spanier, wenn auch nicht mit deren martialischer Eleganz. Um seinen kahlen Kopf wand sich ein Lederriemen, von dem diverse Dinge hingen: lange dünne Haken, metallene Spateln, eine Schere mit winzigen Klingen und umso größeren Augen. Direkt vor seiner Nase baumelte eine polierte Metallscheibe, an der er vorbeischielte. Der lange Kinnbart sah aus wie ein weiteres künstliches Anhängsel mit undefinierbarer

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