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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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»Keine Sorge.« Er hustete erneut.
    Agnes folgte ihm wie gelähmt. Der Augenblick, in dem Cyprian plötzlich zusammengebrochen war, spielte sich wieder und wieder vor ihrem inneren Auge ab. Der Schock hätte sie beinahe selbst in die Knie sinken lassen. Ein Gedanke flatterte in ihr hoch: Wenn er krank ist, kann er mich nicht gegen die Kerle da vorn verteidigen!, und wurde sofort von einem anderen, viel dringenderen Gedanken verdrängt: Wenn er krank ist, wie kann ich ihm helfen? Und ein dritter Gedanke ersetzte alle beide: Er kann nicht krank sein, ich habe ihn noch nieschwach gesehen, er hat nur ein bisschen Staub in die Kehle bekommen, und das zusammen mit dem kalten Wind musste er einfach nur  …
    Die Wegelagerer gafften ihnen entgegen. Sie hatten aufgehört, ihre Steine zu wiegen; dass sie noch kein Wort gesagt hatten, deutete Agnes als Unsicherheit. Cyprian hob die Hand vor den Mund und hustete erneut. Die Blicke der Wegelagerer schnellten wie die eines Mannes zu ihm. Agnes und Cyprian standen schon fast vor ihnen. Entsetzt erkannte Agnes, dass Cyprian einfach weitergetaumelt wäre, wenn sie ihn nicht aufgehalten hätte. Sie hörte ihn keuchen und stöhnen und sah, wie er versuchte, sich zu straffen.
    »Was macht ihr denn hier?«, sagte der Anführer der Wegelagerer gedehnt und mit einem kleinen Schuss Zweifel in der Stimme. Er und die meisten seiner Kameraden trugen kurze Mäntel mit einer Kordel an einer Schulter, wie sie unter Studenten beliebt waren. Die restlichen waren zerschlissener gekleidet. Die Studenten waren vielleicht ein, zwei Jahre älter als Cyprian und Agnes, die anderen jünger.
    Cyprian sagte nichts. Er sah aus, als würde er nach Luft ringen. Agnes’ Blicke flogen zwischen den Studenten hin und her. Ihr Herz schlug womöglich noch ärger als vorher bei der Brücke.
    »Seid ihr zu spät gekommen zu eurem Umzug?«, höhnte einer. »Scheißkatholikenschweine!«
    »Lasst uns durch«, sagte Agnes und erkannte, dass ihre Stimme zitterte.
    »Ja, lasst uns durch«, flüsterte Cyprian heiser.
    Der Anführer der Wegelagerer wandte sich an ihn. »Ooooh, lasst uns durch, bittebittebitte!«, machte er und grinste. »Dazu müsst ihr erst ein paar Bedingungen erfüllen.«
    »Ich lasse mir von euch keine Bedingungen diktieren«, sagte Agnes, die sich verzweifelt an den Grundsatz klammerte, dass man vor Wölfen keine Schwäche zeigen durfte,weder vor den vier- noch vor den zweibeinigen. Cyprian keuchte gleichzeitig: »Was für Bedingungen?«
    Das Meiste von dem, was der Anführer der Wegelagerer sagte, ging in einem neuen Hustenanfall unter, der Cyprian nach vorn krümmte und ihn beinahe zu Boden fallen ließ. Sie verstand: »… den Papst verfluchen … die sogenannte Jungfrau Maria eine Hure nennen … die sogenannte heilige katholische Kirche einen Dreckhaufen heißen … und deine kleine Schlampe hier …« Das Letzte verstand sie überhaupt nicht, aber die Geste, die der Sprecher dazu in ihre Richtung machte, war so obszön, dass sie kapierte, was dahintersteckte, wenngleich sie vermutlich keine Ahnung hatte, welche Tätigkeit mit den groben Worten gemeint war. Kälte erfasste ihren Körper.
    Cyprian richtete sich mühsam auf. Er streckte ihnen die rechte Hand entgegen. »Wir wollen keinen Ärger«, sagte er kraftlos.
    Die Wegelagerer starrten auf Cyprians Hand. Einige von ihnen traten unwillkürlich einen Schritt zurück. Cyprian folgte ihren Blicken und betrachtete seine Hand. Es fuhr Agnes wie ein Schock durch den Leib, als sie das Blut darin sah. Cyprian versteckte die Hand hinter seinem Rücken, doch alle hatten es gesehen. Er setzte an, um etwas zu sagen, und brachte keinen Ton heraus.
    »Ist das alles, was ihr könnt?«, sagte Agnes und stellte fest, dass sie sich vor Cyprian gestellt hatte. »Wie viel Mut braucht man, um eine Frau und einen Kranken zu bedrohen? Was seid ihr für Kerle?«
    Der Anführer der Wegelagerer riss die Augen auf. »Oooh, sie beschützt ihren Stecher«, rief er. »Pass auf, dass er dich nicht aus Versehen vollkotzt, wenn er dir die Spalte ausleckt.« Er lachte, doch die anderen lachten nur halbherzig mit.
    »O Mann, Ferdl, hast du das Blut in seiner Hand gesehen?«, sagte einer und trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich meine –«
    »Lass mich mit ihnen reden, Agnes«, sagte Cyprian. Agnes streckte die Hand aus, ohne sich umzusehen, und hielt ihn zurück. Ihre Angst konnte nicht mehr größer werden. Sie spürte, wie sie begann, in Wut

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