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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Sein halbes Gesicht brummte mittlerweile vom Faustschlag des Hauptmanns, und sein Kopf schien entzweigespalten. Der kleine alte Mann hatte kein Wort gesagt auf dem kurzen Weg zum Zentrum des Heiligen Römischen Reichs, und die Soldaten hatten Andrej mehr getragen als vor sich hergeschoben.
    Ein anderer alter Mann lief auf Andrejs Begleiter zu. Er rang die Hände und schob einen beträchtlichen Bauch vor sich her.
    »Das ist nicht Giovanni Scoto, Oberstlandrichter Lobkowicz«, sagte der Neuankömmling atemlos.
    »Das weiß ich auch, Reichsbaron Rozmberka«, sagte derOberstlandrichter. In Andrejs Hirn drangen eine dumpfe Erinnerung, als sei ihm der Name des Oberstlandrichters nicht unbekannt, und die Erkenntnis, dass zwischen den beiden alten Männern nicht gerade Freundschaft herrschte. »Der Vogel scheint ausgeflogen.«
    »O mein Gott, o mein Gott«, sagte Rozmberka.
    »Glauben Sie, wir hätten das Gold aus dem Saukerl herausholen können, selbst wenn wir ihn noch angetroffen hätten?« Der Oberstlandrichter schien einen Moment lang nachzudenken. »Oder die blöde Nuss?«
    »Der Kaiser ist vollkommen aufgelöst!«
    »Du meine Güte, es wird sich doch eine andere Scheiß-Nuss in seinem Kabinett finden, die er vergöttern kann! Jede Woche wird ihm was aus seiner Sammlung geklaut, und ausgerechnet diese eine Nuss will er wiederhaben! Hätte er sie dem beschissenen Italiener doch nicht zum Anschauen gegeben!«
    »Nein, es geht nicht um die Nuss.«
    »Aber ich wurde doch extra –«
    »Es geht nicht mehr um die Nuss. Jetzt will er Giovanni Scoto persönlich haben.«
    »Wenn es ihm Freude macht, kann er Scotos Faktotum an dessen Stelle an den Eiern aufhängen.« Der oberstlandrichterliche Daumen deutete auf Andrej, dessen Herz aussetzte. »Scoto ist weg, und ich wette, nicht erst seit gestern. Wenn Sie ihn nicht wegen des Goldes gemahnt hätten, wäre er vielleicht gar nicht abgehauen, nicht wahr, mein lieber Rozmberka?«
    »Er will Scoto nicht mehr an den Eiern aufhängen!«, rief Rozmberka.
    »Nicht?«
    »Nein, er will einen seiner Zaubertricks sehen.«
    Der Oberstlandrichter schwieg eine halbe Ewigkeit. »WAAS?«, sagte er dann.
    »Seine kaiserliche Majestät haben dem Alchimisten vergeben.« Rozmberka stöhnte. »Und weil Seine kaiserlicheMajestät über seine vorhergehenden wütenden Worte noch tiefer als zuvor in seine melancholische Stimmung verfallen ist, verlangt er den Alchimisten, damit der ihn mit seinen Kunststücken aufheitert.«
    »Und was sagt Doktor Guarinoni dazu?«, fragte Lobkowicz, offensichtlich vollkommen perplex.
    »Der kaiserliche Leibarzt sagt: Holt den Alchimisten her, ihr verdammten Idioten, oder ich garantiere für nichts.«
    Die beiden Reichsbeamten starrten sich an. Dann starrten sie Andrej an. Wenn Andrej nicht in den letzten drei Tagen nur von Wasser gelebt hätte, hätte er sich in diesem Moment in die Hose gemacht.
    4
    »Nicht mal eine Beschwörung eines ganz niedrigen Dämons?«
    »Nicht mal eine ganz unscharfe Zukunftsvision in einem Spiegel?«
    Rozmberka und Lobkowicz zerrten Andrej durch die Gänge des Hradschin, die Andrej zu betreten niemals in seinem Leben zu hoffen gewagt hätte. Wachsoldaten reckten sich, wenn sie an ihnen vorüberhasteten; Dienstboten machten Bücklinge und wichen beiseite; ihre Abbilder huschten auf den Oberflächen verspiegelter Säulen, glänzend polierter Pilaster und teurer Glasscheiben an ihrer Seite mit und schienen ihrem Tempo hinterherzuhängen. Andrejs lädierter Kopf pochte im Rhythmus seiner hastigen Schritte.
    »Nein«, stöhnte er.
    »Irgendein Trick?«
    »Es muss ja keine echte Zauberei sein.«
    Andrej hatte das Gefühl, dass sich die Realität bruchstückweise von ihm löste und in den gefliesten, marmorierten, vertäfelten oder vergoldeten Räumen zurückblieb, die sie durchquerten. Rozmberka und Lobkowicz schleppten ihn mit hoher Geschwindigkeit ins Zentrum des Wahnsinns. Er war zu entsetzt, um sich zu wehren.
    »Ich kann ›Drei Mösen für einen Pimmel‹«, stammelte er.
    Lobkowicz bremste so scharf, dass Rozmberka und Andrej ins Taumeln gerieten. Der kleine Mann streckte sich und packte Andrej am Hemdkragen.
    »Willst du vor den Augen des Kaisers eine Orgie veranstalten, du kleiner Scheißer?«, zischte er.
    »Nein, nein, nein,«, blubberte Andrej, »wir haben es nur so genannt. Wenn man ›Drei Hütchen für einen Kegel‹ sagt, lockt man doch keinen an.«
    »Wer ist ›wir‹?«, stieß Lobkowicz hervor.
    »Wir. Die Pflasterritter. Ich

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