Die Teufelssonate
auch. Er sah, daß sich Natasja verändert hatte. Durch das Elend der letzten Zeit war sie reifer und klüger geworden. Er sah es in ihren Augen. Sie trug nun einen Schmerz mit sich herum, der zuvor nicht dagewesen war.
Natasja holte einen rosa iPod aus der Tasche und setzte ihm die Ohrstöpsel ein.
»Was ist das? Was machst du?«
»Das habe ich für dich aufgenommen«, meinte sie. »Sag ganz ehrlich, was du davon hältst.«
Es war das Andante aus der Sonate für Violoncello und Klavier op. 19 von Rachmaninow, eines seiner Lieblingsstücke. Natasjas Spiel war voll zärtlichen Kummers. Es hatte eine verhaltene Glut, die sich wie Wärme in Notovichs Innerem ausbreitete. Er sah Sennas Augen wieder vor sich, als er neben ihr im Krankenwagen saß. Es ist nicht dein Fehler , schienen diese sagen zu wollen, alles wird gut .
Er weinte hemmungslos. Natasja küßte ihn, und er ließ sie gewähren. Vielleicht hatte Senna recht gehabt, vielleicht würde alles gut werden. Natasja und er könnten klein anfangen, Schritt für Schritt. Und dann würden sie weitersehen.
Und als sie sich unter der Decke an ihn schmiegte, durchzog ein Prickeln seinen Körper. Erst jetzt erkannte er, wie gut sie ihn verstand. Niemand hatte ihn je so gut verstanden, außer ihr . Aber sie existierte nur noch in seinem Kopf, während Natasja hier neben ihm lag und lebte. Er küßte sie, und ihm wurde zum ersten Mal bewußt, wie sehr sie ihr glich. Er kroch näher an sie heran und versuchte, solch unsinnigen Gedanken keine Beachtung zu schenken.
DANKSAGUNG
A ls ich vor Jahren eines Morgens zur Schule ging, hörte ich plötzlich herrliche Klaviermusik. Ich blieb stehen und erkannte, daß es kein Radio war; dort spielte jemand. Ich versuchte, durch die Bepflanzung vor dem Haus einen Blick auf den Pianisten zu werfen, und sah tatsächlich jemanden am Flügel sitzen. »Ein richtiger Pianist«, dachte ich, »bei mir um die Ecke!«
Es war der Konzertpianist Jan Beekmans, eine Legende in Brabant. Er trat nicht mehr auf, unterrichtete jedoch. Durch eine Fügung des Schicksals (und die richtigen Kontakte, aber die sind für ein Kind auch eine Fügung des Schicksals) wurde ich sein einziger Privatschüler; bei ihm zu Hause, an seinem Steinway. Das war eine große Gunst, denn mit Talent hatte das Ganze wenig zu tun. Ich sei musikalisch genug für seinen Unterricht, fand er. Das schon.
Er war wichtig für mich in den Jahren, in denen sich Persönlichkeit und künstlerisches Temperament entwickeln. Beekmans war ein brillanter Musiker, fern von Pomp und Großtuerei. Wir verschwendeten unsere Zeit nicht mit Tonleitern, ein richtiger Pianist würde ich doch nicht werden. Chopin hielt er für einen großartigen Komponisten, eine Meinung, die zur damaligen Zeit unter sogenannten Kennern nicht sehr im Trend lag. Viele Unterrichtsstunden widmeten wir den gesammelten Werken der Kabarettisten Koot & Bie und Freek de Jonge. Die hörten wir uns stundenlang an und brüllten vor Lachen. Beekmans war ein echter Brabanter, mit einem lupenreinen Gefühl für Humor. Aber hinter seinem jovialen Verhalten verbarg sich ein Perfektionist, der nur noch selten Klavier spielte. Er fand, daß er seinen eigenen Maßstäben nicht mehr genügte.
Ohne seine unausgesprochenen Lebensweisheiten wäre ich als Autor wahrscheinlich nicht der geworden, der ich bin, und hätte dieses Buch über Pianisten nie schreiben können.
Im Laufe der Jahre ging unser Verhältnis in Freundschaft über. Aber ich habe ihn bis zum Schluß gesiezt. Das hielt ich für angemessen, und er wahrscheinlich auch.
Konzertpianisten haben auch in meinem weiteren Leben eine magische Anziehungskraft auf mich ausgeübt. Bei der Vorbereitung für dieses Buch sprach ich mit zwei Gewinnern des Liszt-Concours, des schwersten und einzigartigsten Klavierwettbewerbs der Welt: Vitaly Pisarenko und Martyn van den Hoek, dem ersten – und bisher einzigen – niederländischen Gewinner. Die Gespräche mit diesen Größen und meine Begegnungen mit Quinten Peelen und Sander Louis haben mir sehr viel gegeben. Mein großer Dank gilt ihrem Enthusiasmus und Quintens Bereitschaft, über das Marketing für dieses Buch mit nachzudenken.
Mein Vater, Herman van Galen, war auch bei diesem Buch wieder ein geduldiger, aufmerksamer Zuhörer und achtete mit gnadenlosem Blick auf den Stil. Er ist der belesenste Mensch, den ich kenne, und sein literarischer Geschmack steckt mir in den Genen. Auch das Feedback meiner Frau Ingrid war von
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