Die Teufelssonate
näher, und er konnte ihre Haut riechen, ihre Lippen spüren. Und sie brauchte nichts zu sagen, denn ihre Gedanken waren nun eins und würden es für immer bleiben.
Ich laß dich nie mehr allein.
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B röll erhielt einen Tag Aufschub, um Luboš den nagelneuen BMW zurückzubringen. Das war jedoch längst nicht genug. Die französische Polizei hatte den Wagen beschlagnahmt. Es stellte sich heraus, daß er in Deutschland gestohlen worden war, aber davon wußte Bröll nichts. Er wußte nicht einmal, daß Notovich nach Paris gefahren war.
Und der BMW war nicht Brölls einzige Schuld bei Luboš.
Es waren große Abbuchungen von dessen Kreditkarte getätigt worden. Die Kleidung mußte finanziert werden. Die Essen, die Frauen und das Koks. Überdies hatte Luboš dem Sender, der das Duell ausgestrahlt hatte, eine große Summe gezahlt. Als Gegenleistung sollte Notovich eine Reihe von Konzerten geben, mit denen sie die Schulden abstottern konnten.
Aber mit Notovich war jetzt kein Geld zu verdienen.
Genau in dem Moment, als Bröll das Auto hätte abliefern müssen, kamen die Männer von Luboš ihn holen. Er saß in einem Restaurant und aß, mit der einzigen Kreditkarte, die Notovich nicht in der Tasche hatte, als er verschwand.
Bröll ging fügsam mit. Es hatte keinen Sinn zu fliehen. Außerdem spekulierte er darauf, daß sie ihn nicht umbringen würden. Vielleicht würde Luboš ja begreifen, daß ein Mord ihm keinen roten Heller eintragen würde.
Tomas, der Mann mit dem pockennarbigen Gesicht, und seine Handlanger nahmen Bröll mit zu einem abgelegenen Schrottplatz. Dort bearbeiteten sie ihn fachkundig mit einer Bleistange. Anschließend warfen sie ihn in eine zweieinhalb Meter tiefe Grube, aus der der kleine Bröll nicht herausklettern konnte. Dann hörte er das Brummen eines Lastwagens. Für einen Moment dachte er, daß er doch noch ermordet werden sollte und daß sie seinen Leichnam zerstückeln und in einem Müllauto entsorgen würden.
Aber es war ein Jauchewagen.
An der Rückseite befand sich ein Schlauch, der in die Grube gehängt wurde. Bröll hörte ein laut röchelndes Geräusch. Dann kam zuerst der Gestank, der wie ein Luftstrom um ihn herum wirbelte. Danach spritzte ein Strahl flüssiger Scheiße heraus. Bröll mußte sich wegducken, um nicht voll ins Gesicht getroffen zu werden. Der stinkende Dreck füllte langsam die Grube, bis er Bröll an die Brust reichte. Darauf verschwanden die Männer von Luboš.
Bröll kam nicht aus der Grube heraus. Er konnte weder sitzen noch ruhen. Stundenlang schrie er, aber niemand hörte ihn. Erst nach dem Wochenende entdeckte ihn ein Mitarbeiter des Schrottplatzes, wie er, völlig erschöpft, an einer hervorstehenden Baumwurzel hing. Der Gestank umgab ihn noch nach zwei Tagen.
Inzwischen wurde in den Niederlanden bekannt, daß man Notovich in Paris gefunden hatte. Die polizeilichen Ermittlungen waren in vollem Gange, aber niemand wußte, ob Notovich unter Anklage gestellt werden würde.
Nach einem Notruf von Viviens Handy waren die Polizei und ein Rettungswagen schnell vor Ort. Am Grund des Fahrstuhlschachtes wurden die beiden Pianisten übereinanderliegend gefunden. Zwei herausragende Bretter in der zweiten Etage und Valdins Körper hatten Notovichs Fall abgefangen. Valdin hatte nicht überlebt.
Notovich wurde in ein Krankenhaus gebracht. Dort wurde er für zwei Wochen in ein künstliches Koma versetzt. Es war eine umstrittene Behandlungsmethode, eine Radikalkur, die manchmal angewendet wurde, wenn ein Patient unter einer Psychose litt und Erschöpfungssymptome zeigte. So konnten Körper und Geist die Ruhe bekommen, die sie brauchten, um sich zu erholen.
Notovichs französischer Anwalt versuchte herauszufinden, welche neuen Fakten aufgetaucht waren, doch die Polizei hüllte sich in Schweigen. Niemand erfuhr, was Vivien ihnen erzählt hatte und ob Notovich je wieder freikommen würde. Alle warteten darauf, daß er aufwachte.
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A ls Notovich langsam zu sich kam, zeigten die neuen Medikamente bereits ihre Wirkung. Er löste sich mit Mühe aus seiner Reise durch die Dämmerzone, die von Schlafmitteln hervorgerufen worden war. Es war eine Nebellandschaft ohne Gesichter gewesen, in der Gedanken keine Chance erhielten, Form anzunehmen. Als er die Augen wieder öffnete, befand er sich in einer ganz anderen Welt: einer mit künstlichem Licht, deutlichen Konturen und steriler Kleidung. Er fühlte sich unendlich nichtig im Käfig seines widerwilligen Körpers und seiner
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