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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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Viertelstunde lang wiegte sie ihn tröstend auf dem Bett. Er verstand nicht, womit er ihre Sorge verdient hatte.
    Von nun an besuchte sie ihn jeden Tag.
    Er sprach kaum über die grauenhaften Bilder, die er immer wieder vor sich sah. Er hoffte, daß sie mit der Zeit verblassen würden. Auch Natasja sprach nicht darüber, aber sie wußte mehr, als sie sich anmerken ließ.
 
    Nach einer Woche überbrachte sein französischer Anwalt die Neuigkeit. Der Staatsanwalt hatte es nicht eilig mit einem Prozeß, denn niemand konnte unumstößlich nachweisen, daß es sich bei der Leiche im Fahrstuhlschacht tatsächlich um Senna gehandelt hatte. Sennas Familie wollte die Angelegenheit ruhen lassen, und auch die öffentliche Meinung schien zu Notovichs Gunsten umzuschlagen. Vivien hatte einem französischen Journalisten ihre Version der Geschichte geschildert, ohne wirklich ins Detail zu gehen. Das wirkte.
    Notovich würde nicht in Untersuchungshaft kommen. Wenn er seine Medikamente weiterhin einnahm, durfte er Ende der Woche nach Hause.
    Linda war außer sich vor Freude. Notovich wurde schon müde, wenn er nur an Lindas Gästezimmer und Wims Computerspiele dachte. Er versuchte, den Gedanken an seine Zukunft abzuschütteln.
    »Was soll's?« sagte er zu Natasja. »Ich kann sowieso nie mehr Musik machen.«
    Sie munterte ihn auf.
    »Es gibt genügend Künstler, die trotz ihrer … Krankheit noch brillante Sachen gemacht haben«, sagte sie. »Aber wenn das nicht klappt, dann kannst du immer noch mir helfen, denn ich werde auch wieder spielen.«
    Er freute sich für Natasja. Diesmal wollte er für sie dasein, gab ihr Tips für ihr Studium, wies sie auf Bücher hin, die sie lesen, CD s, die sie hören sollte. Vielleicht war es möglich, ihre Liebe in Freundschaft umzuwandeln. Das war er ihr schuldig, nach allem, was sie für ihn getan hatte.
 
    Eines Nachmittags erhielt er Besuch von ihren Eltern. Er möge ihre Tochter bitte in Ruhe lassen. Dann würden sie eventuell nicht gegen ihn vorgehen. Denn er – ein Dozent– habe ihre Tochter nicht nur verführt und ihr den Kopf verdreht mit seinen Künstlergeschichten, sondern sie auch in den Abgrund gestürzt. Ihre Tochter sei nicht wiederzuerkennen; sie würde nichts essen, und man komme nicht mehr an sie heran. Und das Schlimmste von allem: Sie spiele kein Klavier mehr. Und jetzt, wo sie sie endlich soweit hätten, ihr Studium wiederaufzunehmen und Klavier zu spielen, komme Notovich erneut mit seinen großen Phantasien.
    Er hörte schweigend zu, und am Ende des Gesprächs nickte er demütig. Sie hatten natürlich recht. Er würde den Kontakt zu Natasja abbrechen. Zweifellos würde sie sich sträuben, aber sie würde sehr bald begreifen, daß es das Beste für sie war. Er würde ihre Hand halten und sie dann nach Hause schicken. Und damit würde seine letzte Hoffnung verschwinden. Seine Hoffnung auf ein Leben mit Musik.
    An diesem Abend erschien Natasja mit roten, verweinten Augen und einer zusammenhanglosen Geschichte. Sie hatte mit ihren Eltern und mit Linda gesprochen. Die hatten alle drei dieselbe Botschaft, doch sie wollte nur wissen, wie Notovich selbst darüber dachte.
    »Es ist vielleicht besser, wenn …«, begann er, aber er hatte seinen Text vergessen. »Was willst du mit mir, Natasja? Ich habe dir nur Kummer bereitet.«
    »Möchtest du denn bei Linda und Wim einziehen?«
    Die liebe, großartige, phantastische Natasja. Den ganzen Abend hörte er ihr zu. Sie zeigte ihm die Möglichkeiten einer anderen Zukunft auf. Notovich könnte Meisterkurse geben. Sie begleiten. Für sie kochen. Ein Buch über Musik schreiben. Den ganzen Tag fernsehen. An den Grachten entlangradeln. Und möglicherweise könnten sie sich, wenn sie ihm wieder vertraute, eine gemeinsame Wohnung suchen. Sie würden zusammen sein und einander wieder lieben.
    Langsam begann er, Hoffnung zu schöpfen. Sie würden ein normales Leben führen und glücklich sein. Ein normales Leben – er wußte nicht einmal, was das war, aber mit Natasja würde er es schaffen. Und vielleicht hatte sie recht, vielleicht war das, was er für Senna und Vivien empfunden hatte, keine echte Liebe gewesen.
    Doch er hatte ihren Eltern versprochen, mit ihr zu brechen. Nicht seiner selbst wegen, sondern um sie zu schützen.
    Andererseits … was war dieses Opfer wert, wenn dadurch alle unglücklich wurden? Und wenn er nun wirklich beweisen würde, daß er einen positiven Einfluß auf ihr Leben haben konnte? Denn womöglich brauchte sie ihn

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