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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex van Galen
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ausreichend Talent und einem nicht allzu schwierigen Charakter auserkoren, damit Notovich sich nicht langweilen, aber auch nicht allzusehr »provoziert« werden würde. Was der künstlerische Direktor in seinem Memo mit »provoziert« meinte, blieb offen.
    Notovich war nicht erfreut über den Alleingang seiner Schwester. Er hatte wenig Vertrauen in Bildungsanstalten, wo so viele mittelmäßige Pianisten herangezüchtet wurden. Aber er fühlte sich doch geschmeichelt von dem Enthusiasmus, den alle auszustrahlen schienen. Außerdem war der September noch so weit weg.
    Damals zumindest.
    Ihm wurde bewußt, daß er sich morgen zum ersten Mal seit langem wieder unter Menschen begeben würde. Die Nachricht, daß er sich in den Niederlanden aufhielt, konnte die Medien also jeden Moment erreichen. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete. Seiner niederländischen Anwältin zufolge bestand für ihn keine Gefahr. Die Franzosen hätten ihren Auslieferungsantrag vorläufig zurückgezogen. Es sei nie eine Leiche gefunden worden. Solange er in den Niederlanden bliebe, könnten sie ihm nichts anhaben.
    Er selbst hatte da so seine Bedenken. Vorsorglich ließ er seine gesamte Korrespondenz über Lindas Adresse laufen. Linda hatte alle Beteiligten am Konservatorium gemahnt, die Presse nicht zu informieren. Er erwog, seinen Anwalt in Paris noch einmal anzurufen, aber er wollte keine schlafenden Hunde wecken.
    »Was denkst du?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Das Konservatorium hat dir ein schönes Angebot gemacht. Vielleicht ist es ja gut, wenn du so langsam wieder nach vorn schaust.«
    Dem hatte er nichts entgegenzusetzen.
    »Du bist durch die Hölle gegangen. Es war ein unvorstellbarer Verlust«, sagte sie. »Deine Schuldgefühle zeigen nur, wie sehr du sie geliebt hast. Und immer noch liebst.«
    Es war wieder still.
    »Ich war voller Blut«, erwiderte er schließlich.
    »Vielleicht hast du versucht, sie zu retten.«
    »Vielleicht auch nicht.«
    »Vielleicht auch nicht, nein. Du kannst dich natürlich der Polizei stellen.«
    »Wieso? Findest du, daß ich das tun sollte?«
    Notovich studierte ihren Gesichtsausdruck. Sie probierte offensichtlich, ihn in Bewegung zu bringen. Nicole hatte ihm geraten, sich ganz auf eine Sache zu konzentrieren, wenn er spüre, daß ihn Angst überkam. Also hatte er sich angewöhnt, während der Sitzungen ihre riesigen Ohrläppchen zu fixieren. Doch das half jetzt nicht.
    »Ich frage mich nur, ob dein Verhalten konsequent ist«, sagte sie. »Du glaubst, daß du einen Mord begangen hast, und fühlst dich schuldig. Aber du stellst dich nicht.«
    »Damit löse ich meine Schuld nicht ein.«
    »Nach dem Gesetz schon.«
    »Aber nicht nach mir. Es geht doch darum, was ich fühle? Wegen dem, was ich ihr angetan habe? Dem muß ich ins Auge sehen.«
    »Du meinst, mit einer Gefängnisstrafe würdest du nicht wirklich Verantwortung für ihren Tod übernehmen?«
    »In einer Zelle zu sitzen und herumzumaulen, daß man es nicht getan hat, ist eine Art von Feigheit.«
    »Und das hier?«
    »Das was?«
    »Dein Leben, wie es jetzt ist.«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Du lebst doch auch wie ein Gefangener. Du hockst in einem Keller, der ebensogut eine Zelle sein könnte. Du kommst nicht aus dem Haus. Deine Schwester bringt dir dein Essen wie ein Aufseher. Es ist deine persönliche Form von Einzelhaft. Wie viele Jahre gibst du dir noch, Mikhael? Lebenslänglich? Für einen Mord, der vielleicht gar nicht begangen wurde?«
    Er konzentrierte sich wieder auf ihre Ohrläppchen. Sie erinnerten ihn immer an Buddhastatuen. Aber heute hatte es keinen Sinn.
    »Vielleicht bin ich gefährlich«, sagte er nach einer langen Pause.
    »Glaubst du das?«
    »Im Augenblick vielleicht nicht. Ich schlucke meine Pillen und tue brav, was die Tante sagt.«
    »Mikhael, du leidest unter überwältigenden Schuldgefühlen. Das ist nicht gerade charakteristisch für einen Psychopathen oder Serienmörder. Vielleicht solltest du dir eine Chance geben. Das ist jetzt der Moment. Versprichst du mir, daß du morgen hingehst? Notovich?«
    Es war das erste Mal, daß sie ihn so nannte. Es klang wie ein Name aus einem Geschichtsbuch. Ein Name mit einer Vergangenheit. Einer belasteten, aber glorreichen Vergangenheit. Er murmelte: »Wir werden sehen«, und stand auf.
 
    Es hatte aufgehört zu regnen. Er betrachtete den glitzernden Straßenbelag, als Linda in ihrem Twingo angefahren kam.
    »Nicht mit den Füßen auf meine Pasta«, sagte sie, während sie die Einkaufstüte

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