Die Therapie: Psychothriller (German Edition)
den Weg der Ölleitung, die vom Gerät im rechten Winkel nach unten führte und vor meinen Füßen im Boden versank. Die Ölwanne!
Wie ich vermutet hatte, entsprachen sowohl der Generator als auch der Brennstofftank nicht den neuesten Vorschriften. Der Öltank war rechts neben dem Generator in den Fußboden des Schuppens eingelassen. Er war weniger ein Tank als ein mittelgroßer Kunststoffkessel mit einem Radius von fast einem Meter, dessen Deckel etwa zehn Zentimeter aus dem Erdreich schaute. Ich brach die Verplombung auf und schob die dünne Betonplatte, die den Kessel abdeckte, zur Seite. Erst dachte ich, dass ich es nicht schaffen würde, weil der Deckel zu schwer für mich war. Dann aber stemmte ich mich mit den Füßen an der hinteren Schuppenwand ab und legte die ganze Kraft der Verzweiflung in meine Anstrengungen. Mit Erfolg. Die Abdeckung bewegte sich etwa vierzig Zentimeter zur Seite und gab damit einen ausreichend breiten Einstieg für mich und Josy frei.
»Ich geh da nicht rein.« Josy stand neben mir, und wir beide schauten in das dunkle Loch, aus dem ein Übelkeit erregender Gestank nach altem Heizöl herauswaberte.
»Wir müssen das tun«, sagte ich zu ihr. »Es ist unsere einzige Chance.«
Wie zum Beweis meiner Worte wurden die Rufe Isabells vor dem Schuppen lauter.
»Josy? Komm zu Mami! Sei ein braves Mädchen.«
Sie war nur noch wenige Schritte entfernt.
»Komm«, forderte ich das Kind auf. »Du bist nicht allein. Ich bin bei dir.«
Josy war paralysiert vor Angst, was es mir einfacher machte. So konnte ich sie problemlos hochheben und in den Tank hinabgleiten lassen. Er war etwa anderthalb Meter tief und nur zur Hälfte mit Öl gefüllt, so dass keine Gefahr bestand, dass Josy ertrinken würde. Kaum war sie drin, rannte ich zur Tür und stellte einen alten Gartenstuhl unter die Metallklinke. Dann nahm ich ein Brecheisen von der Wand und zerschlug das Deckenlicht. Als Nächstes kappte ich in nahezu völliger Dunkelheit die Zuleitung vom Generator, legte das Eisen unter den Betondeckel und hebelte ihn nach oben. Ich legte meine allerletzte Kraft in einen einzigen gewaltigen Ruck, ignorierte meine Kniescheiben und meine knackenden Kreuzbandwirbel … und schaffte es tatsächlich. Der Betondeckel kippte, fiel seitlich vom Öltank hinunter und blieb mit einem dumpfen Aufschlag zwischen Generator und Tank liegen.
Jetzt überwand auch ich meinen Ekel und stieg in die klebrig-dunkle Flüssigkeit hinein. Keine Sekunde zu früh. Kaum, dass meine Füße den Boden berührten und ich auf dem glitschigen Grund verzweifelt Halt suchte, rüttelte es auch bereits an der Tür.
»Josy? Bist du hier drin?«
Noch hatte Isabell den Stuhl nicht aus dem Weg geräumt, aber es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bis er nachgab.
»Wieso hast du das getan? Wieso ist der Deckel weg?«, fragte mich Josy schluchzend, während sie mit ihrer ölverschmierten Hand nach meiner griff.
»Weil es so weniger auffällig ist«, sagte ich ihr. »Ich hätte den Deckel niemals von innen wieder zuziehen können. So können wir hoffen, dass sie es nicht bemerkt oder uns hier nicht sieht.«
Mir war bewusst, dass mein Plan irrsinnig war und nicht den Hauch einer Chance hatte.
Unter lautem Scheppern flog die Tür des Wellblechschuppens auf, und ich konnte einen kalten Luftzug spüren, den der Wind von draußen bis zu uns nach unten in den Öltank wehte.
»Josy?«
Ich wusste, dass Isabell jetzt im Raum war, hörte aber keine Schritte über uns, da der Generator noch lauter geworden war und alles andere übertönte.
Da ich außer der schwächer werdenden Nachmittagssonne keinen weiteren Lichtschein sehen konnte, stellte ich erleichtert fest, dass Isabell keine Taschenlampe dabeihatte. Ich betete lautlos, dass sie den offen stehenden Tank nicht bemerken würde. Und selbst wenn – ohne Taschenlampe und bei fehlendem Deckenlicht würde sie uns hier unten nicht erkennen können. Und sie würde doch nicht mit einem Streichholz in einen Öltank hineinleuchten …?
Ich befahl Josy, sich hinzuknien, und sie gehorchte. Ihr Körper war jetzt völlig von dem kalten Gel umschlossen, und ihr Kopf ragte nur knapp mit dem Mund über dem Öl hervor.
Sie musste husten. Diesmal aber nicht wegen ihrer Krankheit, sondern wegen des unerträglichen Ölgestanks. Ich wollte ihr über die Haare streichen, verschmierte ihr aber nur den Kopf.
»Bleib ruhig. Alles wird gut«, flüsterte ich, doch meine Worte hatten keine Wirkung. Josy begann nur noch heftiger zu
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