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Die Tiefen deines Herzens

Die Tiefen deines Herzens

Titel: Die Tiefen deines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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    Um kurz vor zwölf erhob Jamie sich schließlich. Er streckte sich und meinte:
»Ladies,
ihr müsst nun leider auf mich verzichten. Ich muss morgen früh aus den Federn und außerdem wollen diese hinterhältigen Mücken mir mein süßes englisches Blut aussaugen.«
    Er beugte sich zu mir herunter und umarmte mich. »Schlaf gut, Leni – und noch einmal, herzlich willkommen!«
    Dann warf er Clara eine Kusshand zu und verschwand Richtung Haus. Sammy wirkte einen Moment hin- und hergerissen, rappelte sich jedoch ebenfalls auf und trabte schwerfällig seinem Herrchen nach.
    Clara und ich blieben noch eine Weile sitzen. Wir unterhielten uns über ihr abgebrochenes Kunststudium, und Clara sagte dazu, dass sie nichts in ihrem Leben bereuen würde.
    Eigentlich war dies das Stichwort, um sie nach dem Streit zwischen ihr und meiner Mutter zu fragen und warum sie mich zu sich nach Usedom eingeladen hatte. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dies nicht der richtige Augenblick war – und außerdem spürte ich auf einmal, wie sehr mir die Müdigkeit in den Knochen steckte.
    »Sei nicht böse, aber ich muss auch ins Bett.«
    Clara schüttelte den Kopf. »Unsinn. Ich bin doch nicht böse. Außerdem ist es wirklich ganz schön spät geworden.«
    »Und kalt«, fügte ich hinzu. Das Feuer war inzwischen heruntergebrannt und trotz der Decken fröstelte es mich.
    Während Clara die letzten glimmenden Überreste mit einem Eimer Wasser übergoss, wollte ich die Decken zusammenlegen und mit ins Haus nehmen.
    Doch Clara winkte ab. »Lass einfach alles liegen. Das erledige ich morgen.«
    »Aber dann werden sie ganz nass sein. Sie fühlen sich jetzt schon ziemlich klamm an.«
    Clara sah mich an. In der Dunkelheit konnte ich ihr Gesicht kaum erkennen, doch ihre Stimme klang so, als ob sie lächelte.
    »Ich weiß, das ist unvernünftig. Aber, Leni, vernünftig können wir auch noch morgen sein … oder übermorgen oder irgendwann mal wieder.«
    Der Spruch gefiel mir, und als ich mich kurze Zeit später unter meine warme Bettdecke kuschelte und meine Gedanken sofort wieder bei Felix waren, schossen mir ihre Worte noch einmal in den Kopf: Vernünftig können wir irgendwann mal wieder sein!

W ie schön ist alles erste Kennenlernen
und seine Melodie gesetzt aus Sternen.
4
    Ausgelassen zog mich Sammy über die Brücke zum Strand hinunter, wo ich stehen blieb und die frische, salzige Ostseeluft einatmete. Ich ließ meinen Blick über das weite Meer schweifen. Die weißen Kronen auf den Wellen sahen aus wie kleine schneebedeckte Berge, die ins Tanzen geraten waren. In der Ferne entdeckte ich die Lichter eines Schiffes, das Richtung Polen tuckerte.
    Der Strand war beinahe menschenleer. Ich bemerkte nur einen Mann mit Hund, der wohl wie ich die frühe Stunde nutzte, um außerhalb des Hundestrands ein paar Meter am Meer entlangzugehen. Etwas weiter entfernt war noch ein einzelner Jogger.
    Ich bückte mich, um Jamies Labradorrüden von der Leine zu lassen. Kaum hatte ich mich aufgerichtet, war Sammy schon ins Wasser gehechtet, um übermütig nach den Wellen zu schnappen. Jamie hatte mich zwar gebeten, darauf zu achten, dass Sammy nicht zu viel Salzwasser schluckte, aber der Hund sah so glücklich aus, dass ich ihm den Spaß nicht verderben mochte.
    Schmunzelnd schaute ich ihm eine Weile zu, bevor ich mir die Schuhe auszog, die Hosenbeine hochkrempelte und ein paar Schritte ins Meer wagte.
    Brrr, das Wasser war eiskalt. Kaum zu glauben, dass ich in den letzten Tagen darin gebadet hatte.
    Ich blickte zum Himmel, der milchig grau zugezogen war. Nichts deutete darauf hin, dass sich daran heute noch etwas ändern würde.
    Auch gut, dachte ich, dann komme ich endlich mal dazu, ein wenig zu shoppen und in den vielen Geschäften entlang der Promenade herumzustöbern. Die Ansichtskarten an Felix und meine Eltern waren auch längst überfällig, nachdem ich nun schon eine ganze Woche auf Usedom war.
    Felix.
    Bei dem Gedanken an ihn zog sich mein Magen kurz zusammen. Ich hätte einfach alles dafür gegeben, wenn er jetzt neben mir am Strand gestanden hätte.
    Erst gestern Abend hatten wir lange miteinander telefoniert, doch ich vermisste ihn schon wieder so sehr, dass es wehtat. Felix hatte mir aufgeregt von seinem dreitägigen Aufenthalt in Hamburg erzählt. Davon, dass er sich nun noch besser vorstellen konnte, zum Hamburger SV zu gehen. Sie wollten ihn für ihre A-Junioren-Bundesligamannschaft verpflichten, aber nach wie vor war nichts

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