Die Tiefen deines Herzens
mit der flachen Hand vor die Stirn. »Hallo? Da hält ein wildfremder Mistkerl dich fest, bedroht und beschimpft dich, und Sammy sitzt fröhlich daneben, ohne dich zu beschützen?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ist ja nichts passiert.«
Aber Clara war echt sauer auf Sammy. »Na warte, die nächste Zeit sind frische Pansen für unseren Mister Superwachhund gestrichen. Da kannst du Gift drauf nehmen!« Drohend hielt sie ihm den Zeigefinger unter die Nase, den er daraufhin begeistert abschleckte.
Clara schüttelte den Kopf und wischte sich den Finger an ihrer Jeans ab. »Ich bin sauer auf dich, du blöder Hund, begreif das doch endlich!«
Sammy legte den Kopf schief und meine Tante gab es endgültig auf.
»Jetzt beschreib mir diesen cholerischen Scheißkerl noch einmal ganz genau«, wandte sie sich wieder an mich. »Vielleicht kenne ich ihn ja.«
»Wie gesagt«, winkte ich ab. »Es ist ja nichts passiert. Wahrscheinlich hatte er einfach was gegen Touristen. Ich hätte den Hundestrand eben nicht verlassen sollen. Passiert mir kein zweites Mal.«
»Blödsinn!«, ereiferte sich Clara. »Diese Einheimischen sollen sich bloß nicht so ins Hemd machen. Als ob denen der Strand gehören würde! Was bilden die sich denn eigentlich ein, einem vorzuschreiben, wo man mit seinem Hund auftauchen darf und wo nicht! Das ist doch totaler … völliger … na,
Bullshit
eben.«
Ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als vom Flur her Jamies raue Stimme erklang.
»Darling,
du sollst doch nicht fluchen …«
Dann betrat er die Küche, zog meine Tante mit einem Ruck an sich und küsste sie so leidenschaftlich, dass ich vor Verlegenheit nicht wusste, wo ich hinschauen sollte. Ich wählte die Tür, durch die Jamie gekommen war, und schnappte überrascht nach Luft. Im Rahmen stand der dunkelhaarige Junge vom Strand. Sein Blick wanderte von Jamie und Clara zu Sammy und blieb schließlich belustigt an mir hängen.
Mein Puls dröhnte mir in den Ohren. Was hatte der hier zu suchen?
Ich schloss für einen Moment die Augen, um mich zu sammeln, und sagte dann mit frostiger Stimme: »Was willst du denn hier?«
Er grinste. »Wow, ich dachte, hier wird jeder so begrüßt.« Er deutete mit dem Kopf auf Clara und Jamie. Ich lief in Sekundenschnelle dunkelrot an und kam mir total bescheuert vor.
»Marc, oh Gott, Marc!«, rief Clara da, machte sich von Jamie los und schmiss sich dem dunkelhaarigen Typen in die Arme. »Marc … wie … was … wann …?«, stammelte sie und schmatzte ihm abwechselnd auf die rechte und die linke Wange.
»Na, das nenne ich doch mal eine Begrüßung!«, erklärte Marc, als Clara sich von ihm löste, und bedachte mich mit einem spöttischen Seitenblick.
Meine Tante lachte auf und zerrte ihn am Ärmel zu mir herüber. Mir stockte der Atem, als er direkt vor mir stand, noch immer mit diesem Lächeln in den Mundwinkeln. Keine Ahnung, warum, aber plötzlich hatte ich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen.
»Marc, das ist Leni, die Tochter meiner Schwester, du weißt doch …«
»Er weiß!«, fiel Jamie ihr ins Wort. Dann wandte er sich an mich. »Und das ist mein Neffe Marc McCourtney. Er ist heute Morgen ganz früh auf Usedom angekommen. Eigentlich wollte ich Claras verblüfftes Gesicht sofort sehen, aber dieser Bewegungsjunkie hier«, er deutete mit einem Grinsen auf Marc, »musste nach der langen Reise erst mal eine Runde am Strand joggen gehen …«
»Hi, Leni, alles klar mit deinem Hund?«, fragte Marc.
Ich schluckte schwer, den Kopf wie leer gefegt.
»Es ist Jamies Hund. Und er hat Pansenverbot«, entfuhr es mir, und gleich darauf hätte ich mir am liebsten auf die Zunge gebissen. Selten hatte ich einen größeren Schwachsinn von mir gegeben.
Marc hob amüsiert die Brauen. »So, so, Pansenverbot hat er also.«
Ich atmete geräuschvoll aus und kam mir von Sekunde zu Sekunde blöder vor. Wenn ich mich doch nur in Luft auflösen könnte!
»Redet ihr etwa von Sammy?«, wollte Jamie wissen, dem es endlich gelungen war, seinen Hund in den Hof hinauszubefördern.
Marc nickte. Dabei erforschte er mein Gesicht, als wollte er keine Regung verpassen.
»Das heißt, ihr beiden kennt euch bereits?«, wunderte sich Clara.
Diesmal nickte ich, ließ Marc dabei aber nicht aus den Augen. »Er ist derjenige, von dem ich dir eben erzählt habe.«
»Wie jetzt, Marc soll der Arsch sein, der dich am Strand so blöd angemacht hat?« Clara schüttelte ungläubig den Kopf.
»Arsch? Angemacht? Wovon redest du
Weitere Kostenlose Bücher