Die Tiefen deines Herzens
eigentlich?«, fragte Jamie.
In drei Sätzen und wild gestikulierend berichtete Clara ihm von meiner unschönen Begegnung am Strand.
Misstrauisch runzelte Jamie die Stirn und drehte sich zu Marc um. »Das kann doch nur ein Irrtum sein, oder?«
Marc hob kurz die Schultern. »Was soll ich sagen, es war alles ganz genau so, wie Clara es geschildert hat. Außer der winzigen Tatsache, dass ich nicht der
Arsch
war, sondern derjenige, der sie vor ihm gerettet hat«, erklärte er selbstzufrieden.
Ich schluckte schwer und wollte etwas erwidern. Klarstellen, dass ich das so überhaupt nicht gemeint hatte, aber Clara kam mir zuvor. Sie lachte erleichtert auf. »Dein Glück, mein Großer, sonst hätte ich dich nämlich meine steinharte Rechte spüren lassen müssen.« Sie ballte die Hände zu Fäusten und tänzelte wie ein Boxer um ihn herum.
Jamie fiel in ihr Lachen ein, während Marc mich erheitert angrinste. In seinem Blick lag so viel Arroganz, dass ich langsam echt wütend wurde. Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein? Von wegen, mein Retter! Ich wäre mit dem Kerl schon allein fertiggeworden! Überhaupt kam mir Marcs brutales Eingreifen inzwischen ziemlich übertrieben vor … Na ja, wenigstens wusste ich jetzt, warum er mir so bekannt vorgekommen war. Wobei ich mir nicht vorstellen konnte, dass Jamies braune Augen einen jemals so kalt und unbarmherzig fixieren konnten wie Marcs.
»Ich habe dich nicht um deine Hilfe gebeten«, fuhr ich ihn an.
Er schaute erstaunt. »So, hast du nicht?«
In aller Seelenruhe zog er eine Kaugummipackung aus seiner Jeans hervor.
»Nein, das … das habe ich nicht«, stammelte ich.
»Tatsächlich?«, sagte er und steckte sich einen Streifen in den Mund. »Wie interessant.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und nickte. »So ist es.«
Sein Lächeln sollte mich provozieren. Das war eindeutig. Aber den Gefallen würde ich ihm nicht tun.
Ich kniff die Augen zusammen. »Hat es dir übrigens Spaß gemacht, den Mann so heftig anzugreifen? Ist das deine Art, Konflikte zu lösen?«
Er ging nicht auf meine Frage ein. Sah mich nur weiter mit diesem dreisten Blick an.
»Aber, Leni, es war doch nur gut, dass Marc in der Nähe war und dir geholfen hat«, versuchte Clara, mich zu beschwichtigen, während sie irritiert zwischen Marc und mir hin und her schaute. »Wer weiß, was sonst noch geschehen wäre?«
Ich hob hilflos die Arme, ließ sie wieder fallen, öffnete den Mund und brachte keinen Ton heraus. Ohne ein weiteres Wort ging ich nach oben in mein Zimmer und hatte das Gefühl, mich noch nie so lächerlich gemacht zu haben.
Als ich mich der Länge nach aufs Bett schmiss, vermisste ich Felix wie nie zuvor in meinem Leben.
O hne die Nacht würden wir nichts von den Sternen wissen.
(Sprichwort)
5
Am nächsten Morgen wurde ich von der Sonne geweckt. Ich öffnete die Augen und betrachtete eine Weile das Schauspiel der silbern schimmernden Staubpartikel, die langsam durchs Zimmer schwebten. Ich lag einfach nur da und dachte an nichts. – Bis mich lautes Gekläff aus dem Bett trieb.
Ich betrat den kleinen Balkon, der zu meinem Zimmer gehörte, und lehnte mich über die Brüstung. Was Sammy wohl so in Aufregung versetzte?
Jamies Labrador sprang bellend um jemanden herum. Aber von meiner Position aus konnte ich nicht weit genug in den Innenhof blicken, um zu erkennen, um wen es sich handelte. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und beugte mich noch weiter vor.
»Pass auf, dass du nicht runterfällst«, erklang eine Stimme neben mir.
Erschrocken zuckte ich zusammen und hätte nun wirklich beinahe das Gleichgewicht verloren. Für eine Sekunde schloss ich die Augen, um mich zu sammeln. Dann bedachte ich Marc mit einem finsteren Blick. Er stand nur wenige Schritte von mir entfernt auf einem zweiten Balkon, der lediglich durch eine dünne Trennwand von meinem abgegrenzt war.
»Nette Frisur«, sagte er. Dabei musterte er mich von oben bis unten, und mir wurde peinlichst bewusst, dass ich nur in Slip und kurzem Top vor ihm stand.
Wütend stampfte ich ins Zimmer zurück und knallte die Balkontür zu. Hätte Clara mir nicht sagen können, dass dieser Marc direkt im Zimmer nebenan schlief und wir uns quasi einen Balkon teilten?!
Ich ging zum Schrank und schlüpfte in mein weißes Hollister-Shirt und in die graue Adidas-Jogginghose. Dann stürmte ich ins Bad, das im Flur gegenüber meinem Zimmer lag.
Ein Blick in den Spiegel ließ mich kummervoll aufstöhnen. Die blonden Locken
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