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Die Tiefen deines Herzens

Die Tiefen deines Herzens

Titel: Die Tiefen deines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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zum Boxen mitgenommen. Er meinte, es wäre besser, ich würde meine Wut kontrolliert an einem Boxsack statt an meinen Mitschülern auslassen.«
    Marc setzte sich auf und schaute eine Weile gedankenversunken aufs Meer hinaus. Als er sich wieder zu mir umwandte, lag da etwas in seinem Blick, das mich trotz der Hitze frösteln ließ.
    Kälte.
    Eisige Kälte.
    Diesen Blick hatte ich schon einmal gesehen. Bei unserem ersten Treffen am Strand, als er den Typen in die Knie gezwungen hatte.
    »So hat Jamie mein Talent fürs Boxen entdeckt«, erzählte er weiter. »Er glaubte, dass ich mal ein ganz Großer werden würde … wenn ich meine Aggressionen in den Griff bekäme.«
    »Und? Hast du sie in den Griff bekommen?«
    Ich sah Marc schwer schlucken. Statt einer Antwort streichelte er kurz meine Hand. Dann streckte er sich betont lässig und schlug vor, dass wir noch einmal ins Wasser gehen sollten.
    »Marc!«, fuhr ich ihn mit leisem Vorwurf in der Stimme an. »Bestimmt habe ich jetzt keine Lust, im Meer herumzuplanschen.«
    Er tat cool. Fragte ahnungslos: »Warum nicht?«
    Aber ich kaufte ihm seine Coolness nicht ab. Er kam mir vor wie ein großer, starker Mann, der verzweifelt zu verbergen versuchte, wie klein und verletzlich er in Wirklichkeit war – und wie sehr ihn die Schatten der Vergangenheit noch immer quälten. Was er mir gerade erzählt hatte, war mir so fremd, eine Welt, die ich nicht kannte. Die mich einerseits abstieß und auf der anderen Seite faszinierte.
    Aus einem plötzlichen Impuls heraus legte ich die Arme um ihn. Und dann geschah es einfach – wir küssten uns schon wieder.
    Als wir uns schließlich atemlos voneinander lösten, herrschte eine unangenehme Stille zwischen uns. Marc starrte stur vor sich hin, kein Lächeln auf seinen Lippen, während ich beschämt an Felix dachte. Felix, meine Liebe. Derjenige, für den mein Herz schlug. Dem ich eben noch auf die Mailbox gesprochen und ihn meiner Zuneigung versichert hatte. Und nun hatte ich schon wieder in Marcs Armen gelegen. Und es mehr als genossen.
    Doch es war nicht nur die Tatsache, dass ich Marc geküsst hatte, die mich zutiefst beunruhigte, vielmehr war es das, was ich dabei empfand. Diese Begierde, die Marc scheinbar wie auf Knopfdruck in mir auslösen konnte. Klick – und auf einmal war wieder alles ganz anders. Abermals anders, und ich musste mir selbst bitter eingestehen, dass ich verrückt nach Marc war. Er zog mich an wie das Licht die Motten, und tief in meinem Innern spürte ich, dass ich mich ihm nicht widersetzen konnte. Die Anziehungskraft, die er auf mich ausübte, kam einer Naturgewalt gleich. Egal, was ich dafür auch riskieren, aufs Spiel setzen müsste, und sei es die tiefe Freundschaft und Liebe zu Felix, ich würde es tun. Immer wieder tun. Weil ich es wollte.
    Ich. Wollte. Marc.
    Das alles wurde mir in diesem Augenblick klar, während er so finster vor sich hin starrte, dass mir eine Gänsehaut über den Rücken lief.
    Von einer Sekunde auf die andere entspannten sich seine Gesichtszüge wieder und er nahm behutsam meine Hand. »Ich hoffe, du bist mir nicht böse …«
    Ich schüttelte verwundert den Kopf. »Warum sollte ich dir böse sein?«
    »Weil ich dich geküsst habe.« Er räusperte sich. »Schon wieder.«
    Erneut schüttelte ich den Kopf. »Bin ich nicht«, murmelte ich.
    Er kam mit seinem Gesicht ganz nahe an meins heran und flüsterte: »Ich bin nicht gut für dich, kleine, süße Leni …«
    Bevor ich auch nur im Ansatz realisiert hatte, was geschah, hatte er mich von sich gestoßen. Dann sprang er auf, suchte in Windeseile seine Klamotten zusammen und rannte Richtung Dünen davon.
    »Marc!«, schrie ich ihm fassungslos hinterher, als ich mich wieder aufgerappelt hatte. »Bist du eigentlich total bescheuert?!«
    Eine Weile blieb ich noch wie angewurzelt stehen und starrte auf das Küstenwaldstück, in dem Marc verschwunden war. Dann zog ich leise vor mich hin fluchend meine Klamotten über. Die Socken stopfte ich in meine Turnschuhe, band die Schnürsenkel zusammen und hängte sie mir über die Schulter. So machte ich mich auf den Weg zurück zur Pension.
    Dieser Idiot! Dieser doofe, doofe Idiot!
    Ich hatte mich erst wenige Meter vorwärtsbewegt, als sich der Himmel über mir verdunkelte. Dicke schwarze Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben und der Wind frischte stürmisch auf. Ich blickte besorgt hinauf und bekam prompt den ersten dicken Tropfen auf dem Nasenrücken ab.
    »Na klasse, das hat mir gerade noch

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