Die Tiere in meiner Arche
verantwortungsbewußten Biologen nachfühlen kann. Wir haben beispielsweise in unserer Kartei eine Karte von einem bekannten Zoologischen Garten, in der Angaben über die tierärztliche Behandlung einer Giraffe gemacht wurden. Darin steht lediglich, daß dem weiblichen Tier, nachdem der Tierarzt es von einem toten Kalb entbunden hatte, »darauf Antibiotika gespritzt wurde«. Weder die Menge noch der Name des Antibiotikums wurde angegeben, und die Eintragung ist von Hand geschrieben, könnte also für einen Fremden, der auf dieser Karte eine Auskunft sucht, leicht unleserlich sein. Aus Karten, die wir von einem anderen Zoo erhielten, entnahmen wir, daß ein Tier angekommen und gestorben war. Diesen Angaben folgte ein ausführlicher pathologischer Bericht. Über das Verhalten wurde überhaupt nichts ausgesagt, so daß wir den Eindruck gewannen, daß das Tier in der Zeit zwischen seiner Ankunft und seinem Tod gar nichts getan hat. Der fragliche Zoo schien uns lediglich eine Art Wartezimmer des Pathologen zu sein.
1968, vier Jahre, nachdem wir unser Datensammelsystem begonnen hatten, fand in San Diego eine große Konferenz über die Rolle des Zoos beim Naturschutz statt. Caroline Jarvis, jetzt Lady Medway, damals Redakteurin des International Zoo Year Book, hielt auf dieser Konferenz den meiner Ansicht nach aufrichtigsten, gescheitesten und konstruktivsten Vortrag. Im Zusammenhang mit der drohenden Ausrottung ungezählter Tierarten auf der Erde und mit der Aufgabe, die der Zoo bei Artenschutz übernehmen kann, sagte sie:
»In dieser Situation fällt den Zoologischen Gärten eine sehr wichtige Rolle zu, wenn auch wenigen unter ihnen das klar zu sein scheint. Gemäß den neuesten Zahlen des National Zoo Year Book leben heute etwa eine halbe Million Wirbeltiere in Zoos und Schauaquarien. Bedeutungsvoll ist diese riesige Zahl in zweierlei Hinsicht: sie zeigt, in welchem Umfang Zoologische Gärten mit wilden Tieren befaßt sind und sie sagt aus, daß Zoos mit wilden Tieren viel direkter zu tun haben als jede andere Art von Organisation. Ihr Kontakt zu den Tieren ist unmittelbarer und sie sind mit einem größeren Bereich von Tierarten vertraut. Sie verfügen über größere Möglichkeiten als jede Universität, Forschungseinrichtung oder jeder Wildpark, gewisse Informationen zu sammeln und zu Papier zu bringen. Aus diesem Grund sind Zoologische Gärten sowohl für den Naturschutz als auch für die zoologische Forschung so wichtig. Der Artenschutz hängt vom Wissen ab, die zoologische Forschung hängt vom Wissen ab, und eben dieses Wissen ist gegenwärtig in so riesigen Mengen in Zoos eingesperrt. Die Natur wird gern als eine Schatzkammer des Wissens beschrieben, und die Zoos sind Treuhänder über beträchtliche Teile dieser Schatzkammer, aber nur allzu häufig sind sie sich ihrer Verantwortung und ihrer Verpflichtungen als Treuhänder nicht bewußt, oder wissen überhaupt nicht, daß sie die Treuhänder sind. «
Als Miss Jarvis darauf zu sprechen kam, wie wichtig die Rolle des Zoos bei der genauen und gewissenhaften Sammlung von Daten ist, sagte sie weiter:
»Abgesehen von der Wissensvermittlung gibt es noch zwei andere ungemein wertvolle Dinge, womit ein Zoo dazu beitragen kann, die Tiere der Welt vor der Vernichtung zu bewahren. Er kann erstens Daten über Wildtiere sammeln, und er kann zweitens gefährdete Arten in Gefangenschaft züchten. Eine der Hauptschwierigkeiten beim Schutz von Wildtieren liegt darin, daß über die grundlegenden Bedürfnisse der Tiere, die wir zu schützen versuchen, viel zu wenig bekannt ist. Es ist erstaunlich, wie wenig über die Biologie und die Verhaltensweisen der meisten Wildtierarten bekannt ist. Das liegt daran, daß nur relativ wenige gründliche Studien, wie etwa Schalters mit Recht berühmte Arbeit über die Berggorillas, gemacht wurden. Ein großer Teil dieser Informationen, wie zum Beispiel die Beziehungen des Tieres zu seiner Umwelt, die Ökologie seines Lebensraumes, seine natürliche Ernährungsweise und viele seiner Verhaltensweisen, kann zugegebenermaßen nur aufgrund von Beobachtungen des in der freien Natur lebenden Tieres gewonnen werden; gleichzeitig aber können viele Informationen, die in der freien Natur nur unter größten Schwierigkeiten oder gar nicht gewonnen werden können, auf äußerst einfache Art zusammengetragen werden, indem man die Tiere in Gefangenschaft studiert. Bis vor sehr kurzer Zeit scheinen die meisten Zoos kaum etwas gewußt zu haben von der
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