Die Tiere in meiner Arche
festgebunden. Im Korridor des Säugetierhauses wurden sie gewogen und dann in ihr neues Quaitier transportiert. Dort wurden sie gemessen und untersucht. Obwohl keiner von uns etwas sagte, fanden wir es, glaube ich, alle höchst unerfreulich, Tiere, die wir so gut kannten, die immer so aufgeweckt und munter waren und so viel Charakter zeigten, schlaff und bewußtlos vor uns liegen zu sehen, währenddessen wir ihre Münder öffneten und ihre Zähne inspizierten, ihnen Fingerabdrücke und Abstriche machten und aus ihren Venen Blut abzapften. Es war wie ein gewaltsames Eindringen in ihre Intimsphäre, wie eine Unterminierung ihrer Würde, und wir waren froh, daß sie selbst hinterher nichts davon wissen würden. Mit anderen Worten, wir empfanden bei dem ganzen Unternehmen völlig anthropomorph und unwissenschaftlich.
Behutsam trugen wir unsere kostbare in Decken gehüllte Last in das neue, etwa 100 m entfernte Quartier. Wir hatten gewiß Ähnlichkeit mit einem Zug bekümmerter Menschen, die die einzigen Überlebenden einer schrecklichen Katastrophe davontrugen. Vorsichtig wurden sie im aufge-schütteten Stroh niedergelegt — voneinander getrennt zwar, aber doch so nahe, daß sie einander sehen konnten, wenn sie wiederzu sich kamen. Wir blieben rundherum stehen, um ihre Rückkehr zum Bewußtsein abzuwarten. Das war vielleicht die Zeit, in der unsere Nerven am ärgsten strapaziert wurden; denn nun würden wir sehen, ob sie die Narkose überstanden hatten, ohne Schaden davonzutragen.
Auch hier wieder ist aus den klinisch sachlichen Feststellungen nichts davon zu entnehmen, in welcher Verfassung wir uns befanden. Wir rauchten mehr als sonst, tranken eine Tasse Kaffee nach der anderen, versuchten, ein Gespräch über die gegenwärtige Weltkrise in Gang zu bringen, aber die schleppende Unterhaltung versiegte bald ganz, so daß nur noch das tiefe, röchelnde Atmen unserer Patienten zu hören war. Wir mußten alle an N’Pongos Ankunft als Baby denken: klein, rund, kohlschwarz, den Mund zu einem Lächeln verzogen, heiter und gelassen, überzeugt davon, daß alle Menschen Freunde waren; und an Nandis Ankunft, damals, als sie die Menschen nicht gemocht und ihnen mißtraut hatte. Eine große Narbe — eine Machetenverletzung — quer über ihrem Kopf war uns die Erklärung für ihre wenig menschenfreundliche Einstellung gewesen. Wir dachten daran, wie wir im Laufe der Jahre mit viel Geduld und zu unserer großen Freude ihr Vertrauen gewonnen hatten.
Beobachtungen: Um vier Uhr nachmittags begann N’Pongo zu reagieren — drehte ihren Kopf und kaute auf ihrer Lippe. 16.48 N’Pongo bewegt sich. Sie kann nicht stehen, aber sie wälzt sich herum. 18.00 Auf dem Bauch liegend, kriecht sie von den Gitterstangen zur Mitte des Käfigs. 18.03 Liegt auf dem Bauch, stützt sich auf die Ellbogen, sieht sich verschlafen um. Sie versucht aufzustehen, hält sich am Gitter fest, fällt um, kriecht zur Heizung hin. 19.00 Kriecht näher zur Heizung. Leichte Armbewegung. Liegt auf dem Bauch im Heu. 19.30 Keine Lageveränderung. 20.00 Wesentlich aufmerksamer — sitzt halb aufrecht, kann den Kopf heben, reagiert auf Anruf mit ihrem Namen. 20.08 Wieder in alter Stellung am Gitter. 21.30 Läuft auf allen Vieren im Käfig umher. Die Beine können kaum das Gewicht ihres Körpers tragen. 22.15 Liegt auf dem Bauch. Keine Reaktion auf Geräusche.
22.50 Setzt sich auf - Spuren von Erbrechen rund um den Mund - Blick nicht mehr so benommen, aber immer noch groggy — fröstelt leicht. 24.00 Kaum eine Veränderung — Lichter werden gelöscht. Beobachtungen: Als Nandi aus dem alten Käfig transportiert wurde, hustete und sabberte sie, gähnte und zwinkerte. 18.00 Nandi liegt mit dem Gesicht nach unten mitten auf dem Boden. 18.30 Hat sich ein wenig bewegt. An Kopf und Schultern hängen Holzwolle und Heu.
19.10 Liegt auf dem Heu — den Kopf im Heu — keine Bewegung, atmet mühelos. 19.30 Läuft auf allen Vieren umher, ist aber sehr unsicher. Reagiert auf ihren Namen. Beschnüffelt den Anstrich und klopft mit den Knöcheln auf den Boden. Sitzt in der Hocke, der Atem ist ein wenig angestrengt. 19.55 Zeigt Interesse an Nahrung - beißt in eine Orange, bewegt sich lebhaft, fällt gelegentlich um, läuft aber weiter, selbst nachdem sie auf den Rücken gefallen ist — steht sofort wieder auf. Leichter Ausfluß aus der Nase. 20.00 Nandi klettert an den Gitterstangen hoch, bleibt 3 ½ Minuten hängen. 20.15 Nandi erbricht sich. 20.19 Versucht nochmals zu erbrechen.
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