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Die Tiere in meiner Arche

Die Tiere in meiner Arche

Titel: Die Tiere in meiner Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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Gerade ihre Beobachtungen sind ja so wichtig. In einem Tierpark wie dem unseren hätte es keinen Sinn, einen wissenschaftlichen Theoretiker zu haben, der den ganzen Tag an seinem Schreibtisch sitzt und die Tiere einmal im Monat sieht, während er sich ansonsten völlig auf die Beobachtungen anderer verläßt. Man darf auch nicht davon ausgehen, daß die Leute, die Informationen beisteuern, allwissend sind. So wünschenswert Allwissenheit sein mag, sie läßt sich weder durch Erfahrung, religiöse Erziehung oder Universitätsausbildung erwerben.
    Man kann nur von dem Prinzip ausgehen: Im Land der Blinden ist schon ein weißer Stock ein erster Fortschritt.

Kapitel Sechs

    »Wiesel, heißt es, sind in der medizinischen Kunst so geschickt, daß sie ihre Jungen, wenn sie getötet wurden, wieder zum Leben erwecken können, wenn sie zu ihnen gelangen können.«
    T H. WHITE — The Book of Beasts

    »Violet strickte höchst liebenswürdigerweise einen kleinen wollenen Mantel für mehrere der Fische, und Slingsby verabreichte ihnen einige Tropfen Opium. Dank dieser gütigen Behandlung wurde ihnen ganz warm und sie schliefen gut.«
    EDWARD LEAR

    »Herba Sacra. Das >Götterkraut<, von dem die Römer behaupteten, es könnte die Bisse aller tollwütigen Tiere heilen, das Vorrücken von Gift anhalten, die Pest heilen, Hexenzauber abwenden, Feinde versöhnen usw.«
    BREWER'S Dictionary of Phrase and Fable

Pillen, Salben, Elixiere

    Die Entdeckung, Erkennung und nachfolgende Heilbehandlung einer Krankheit bei Tieren ist ein so schwieriges Problem, daß vielleicht selbst die unerschütterliche Florence Nightingale daran verzagt wäre. Stellen Sie sich einen Patienten vor, der Ihnen nicht nur nicht sagen kann, wo es wehtut, sondern der in vielen Fällen auch noch aufs äußerste bemüht ist, alle Krankheitssymptome zu vertuschen; einen Patienten, der, da er überzeugt ist, daß Sie ihn vergiften wollen, alle Medikamente ablehnt, ganz gleich, wie sorgfältig sie in Fleisch, Banane oder Schokolade verborgen sind; einen Patienten, der — weil man ihm nichts erklären kann — alles, was man tut vom Röntgen bis zur Spritze, als einen Angriff auf sein Leben oder seine Würde oder beides auffaßt. Mit kranken Tieren braucht man die Langmut eines Hiob, die grimmige Entschlossenheit eines Sysyphus, die Falschheit eines Judas, die Körperkraft eines Samson, die beruhigende Ausstrahlung eines Salomon und das Glück des Teufels, ehe man auch nur hoffen kann, etwas zu erreichen.
    Auf einer Tierfangexpedition — wo man Schreiner, Ernährungswissenschaftler, Käfigputzer, Koch und Tierarzt in einem sein muß — lernt man eine Menge über die Grundlagen der Behandlung von Tierkrankheiten. Wenn man für eine Sammlung von mehreren hundert Tieren zu sorgen hat und an die 200 km von der nächsten Siedlung entfernt ist, die wahrscheinlich nicht einmal einen Arzt vorweisen kann, geschweige denn einen Tierarzt, ist man gezwungen, seine eigenen Methoden zu entwickeln. Sie haben natürlich wenig gemein mit der einfühlsamen Fürsorglichkeit des Harley Street Spezialisten, und wenn die britische Ärztekammer einen solchen »Urwalddoktor« sehen könnte, würde sie ihm wahrscheinlich alle Würden aberkennen.
    Welches ehrbare Mitglied der Harley Street würde schließlich auch einen widerspenstigen und folglich wutentbrannten Patienten - in diesem Fall eine Manguste — in einen alten Tennisschuh stopfen, um ihr einen Einlauf mit einem Duftspray geben zu können, das er in letzter Verzweiflung in einem Einheimischenladen erstanden hat? Welcher angesehende Harley Street Spezialist würde sich vor einem Publikum von etwa 200 faszinierten Afrikanern entkleiden und sich von oben bis unten unzähligemal mit einer Spritze stechen, um einen höchst mißtrauischen — bärenstarken Pavian davon zu überzeugen, daß dies ein ungemein erstrebenswertes Erlebnis ist? Welcher pingelige Mann aus der Harley Street würde sich um seiner Berufung willen mit einem jungen Schimpansen, der an Bronchitis leidet, zu Bett legen, der dann die Nacht damit zubringt, mopsfidel herumzutoben, einem die Finger in die Augen zu bohren und mit immensem Vergnügen alle halbe Stunde Ströme von Urin loszulassen? Welcher der eleganten und würdevollen Doctores von den diversen Universitäten des Landes läuft Gefahr, daß sein Patient ihm mit spitzem Schnabel ins linke Nasenloch fährt, während er versucht, einen gebrochenen Arm zu schienen? Das passierte mir, als ich einer

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