Die Time Catcher
dich so gern wie tausend Waffeln mit Schlagsahne und Vanillesoße!«
Ben prustet vor Lachen. Ich öffne die Hand und lasse die Blume davonfliegen. Ich beobachte, wie der Wind sie den Hügel hinuntertreibt, und denke schon, ich würde sie jeden Moment aus dem Blick verlieren, ehe sie zwischen zwei Steinen hängen bleibt.
Jim und Diane kommen zu uns und breiten eine große Decke aus, auf der wir alle sitzen können.
Die letzten beiden Wochen vergingen wie im Flug – ich hatte jede Menge Termine beim Arzt, mit Leuten vom Sozialamt und der Polizei. Jim hat mich in seinem alten Kombi stundenlang durch Boston kutschiert, um meiner Erinnerung auf die Sprünge zu helfen. Damit ich mich vielleicht doch noch daran erinnere, wer ich bin, wo ich herkomme und wie ich Ben gefunden habe. Aber der Erfolg ist bisher gleich null.
Doch sind all diese Menschen nicht ausschließlich an mir interessiert. Die Ärzte und Polizisten haben auch Ben mit Fragen gelöchert. Doch wenn die Sprache auf mich kommt, sagt er immer dasselbe: dass ich ihn von dem schlimmen Ort befreit und vor den bösen Männern gerettet habe. Glücklicherweise haben Jim und Diane immer zu mir gehalten. Vor allem Jim belastet es zwar, nicht die ganze Geschichte zu kennen, doch wie Diane nach meinem ersten Besuch auf dem Polizeirevier zu mir sagte: »B en glaubt an dich, Caleb, also werden wir es auch tun.«
Diane teilt Pappbecher aus und füllt sie aus einer großen Thermoskanne mit Limonade.
»G ib das mal Caleb, Ben.«
Als er mir den Becher reicht, kleckert er ein bisschen auf meinen Daumen. Ich lecke ihn ab, was ihn erneut zum Lachen bringt.
Ich lasse meinen Blick über den Charles River schweifen und sehe ein geschmeidiges Boot mit acht Ruderern, das in hohem Tempo dahingleitet.
Ich bin fasziniert, wie gut die Männer zusammenarbeiten und ihre Ruderblätter mit synchronen Bewegungen durch das Wasser ziehen.
»C aleb«, beginnt Jim. »D iane und ich haben darüber nachgedacht, dass … wenn du einverstanden bist … wir die ganze Geschichte ein bisschen ruhen lassen und einfach genießen sollten, dass wir alle zusammen sind. Ich meine, wir brauchen uns ja nicht ständig den Kopf darüber zu zerbrechen, wer du bist oder dass du vielleicht ganz woanders sein solltest.«
»A ber, Daddy, wir wissen doch, wer Caylid ist. Er ist Caylid. Und er ist da, wo er sein soll. Bei uns!«
Ich lächle Ben an und habe einen kurzen Blickkontakt mit Jim. Er sagt nichts, sondern nickt nur angesichts der weisen Worte seines fünfjährigen Sohnes. Ich nicke ebenfalls und schließe die Augen. Zum ersten Mal seit zwei Wochen fühle ich mich leicht und unbeschwert. Als wäre eine schwere Last von meinen Schultern genommen.
Nach einem Moment öffne ich die Augen und schaue wieder auf den Fluss. Das Ruderboot ist verschwunden.
© Dayna Albert
Richard Ungar war immer schon fasziniert von der Idee, durch die Zeit reisen zu können. In »D ie Time Catcher«, seinem ersten Roman für Kinder und Jugendliche, lässt er denn auch seine Helden nur so durch die Jahrhunderte jetten. Richard Ungar ist von Haus aus Jurist und widmet sich dem Schreiben in Toronto, wo er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt.
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