Die Titanic und Herr Berg
geht gut. Ich machs mir gut, machs gut, bis bald, ich vermisse ihn. Ich sehe vor mir, wie wir unsere Köpfe zusammenstecken, wenn wir beide kommen und ich flüster: «ich will, ich will, ich will, es fühlt sich an wie Puckern, wie Pulsen, wie Pumpen, wie Ziehen, wie Wehen, wie Schwemmen, wie Stürzen, wie Sprudeln, wie Speien, wie Platzen …»
Die ersten Tage hat sein Schlüpfer noch sehr nach ihm gerochen. Inzwischen riecht er nach mir oder nach uns, nach einem Baumwollgemisch, nach unserem Kind. Ich habe Peter in diesem Schlüpfer befriedigt, und er hat ihn bekleckert. Dann muss ein Schlüpfer gewaschen werden. Oder gewendet. Ich habe ihn gewendet und mir alle Krümel einverleibt. Ich habe ihn angezogen, ihn, Peter. Ich bin er und kann mit mir selber Liebe machen, mach ich. Ich liebe mich. Ich komme wie zerlaufen, wie schmelzen, wie aufgehen. Ich bin geflutet. Ich war nicht ganz dicht.
In der Steinzeit haben die Frauen auch schon die Kleidung ihrer Männer getragen. Das war andere Kleidung, die war aus Leder und derben Fellen. Manchmal sind Männer zu müde, ihre Arme wie Zäune um ihre Frauen zu legen. Aber ihre Mäntel sind wach, ihre Kapuzenpullover, ihre Poloshirts, ihre Schlüpfer. Und manchmal sind Männer nicht da. Ich sehne mich immer stärker nach Peter, je länger ich mit seinem Schlüpfer zusammen bin. Wir sind zusammen, aber er ist nicht da. Ich will ihn anrufen und sagen, wie Sehnen ist: «wie eine Grube, wie ein Schlitz, wie ein Riss, ein Kahlschlag, Durst, Dunst, Leere, Loch.»
Jetzt sind es nur Stunden und ich muss bis dahin etwas machen. Ich wasche den Schlüpfer im Waschbecken, von Hand. Ich sehe mich dabei im Spiegel an. Hallo Tanja. Hallo Tanja. Hallo Tanja. Hallo Peter Berg, hallo Tanja Berg. Ich lache. Dann lege ich den Schlüpfer auf die Heizung, damit er trocknet, darum. Erst mal wird er warm, dann trocken, so rum.
Dann mache ich Auflauf. Den stelle ich, als er fertig ist, nicht auf die Heizung, weil er kalt werden soll, weil ich ihn Peter mitbringen will. Etwas soll trocken werden und etwas kalt und das sind keine Gegensätze, aber ich erreiche es durch Gegensätze: Wärme und Kälte. Es ist nur im Kühlschrank kalt, aber der geht davon kaputt, wenn ich etwas Warmes reinstelle, sagt Holger. Gegensätze machen sich kaputt.
Ich warte auf eine Uhrzeit. Immerzu mache ich das. Es sind nur andere Uhrzeiten, kommt drauf an. Dann gehe ich los, weil es spät genug geworden ist, weil etwas trocken ist und etwas kalt. Ich habe seinen Schlüpfer in einer Tüte und freu mich nicht darauf, ihn auszuliefern, weil ich mich an ihn gewöhnt habe, weil ich ihn liebe. Es ist nur ein Schlüpfer, aber mein Kind. Und es ist glücklich, weil ich glücklich bin.
In der Straßenbahn sind auch einige glücklich, aber die haben nicht so hart dafür gearbeitet wie ich. Ich arbeite dafür. Ich arbeite nichts anders, nur das.
Ein Mann lächelt mich an, als er von dort aufsteht, wo ich mich gleich hinsetzen werde. Ich lächle nicht zurück, weil ich treu bin, wie Gold.
Peter macht mir auf und geht in seine dunkle Stube. Ich folge ihm. Er erzählt, dass er jetzt ein Fahrrad hat, schön. Dann redet er über die Fische und eine Ulrike, aha. Eine Ulrike und ihr Kind, aber ich kenne weder noch. Dann will ich nicht mehr reden. Er will mir das traurige Ende dieser Ulrike erzählen, aber ich küsse ihn, wo ich ihn treffe. Wir ringen und legen uns dafür auf die Matte, die diesmal hochkant ist, die Wohnungstür hoch. Wir liegen die Wand hoch und wenn ich an der Tür stehe, kann er sie nicht aufmachen. Ich verrammel uns. Ich will rammeln, wie Schieben, wie Stoßen, wie Rammeln, wir schieben, wir stoßen, wir rammeln. Ich stehe, die Beine breit und ströme Duft aus, der seine Nase anziehen soll und alles andere, Mund. Aber er redet. Er ist lauter als sonst. Wir fordern mehr. Er ist richtig laut. Er ist handgreiflich und nimmt mir Haare. Wir reißen uns nicht zusammen, auseinander.
«Es geht so nicht weiter!», sagt er, und er hat Recht. Wir müssen uns eine Wohnung suchen mit gepolsterten Wänden. Er sagt: «Die Situation ist unerträglich.» Er wird seine Arbeit aufgeben, und wir haben viel Zeit. Alles muss anders werden, ja. Er kann nicht mehr, ja. Gibs mir, dein Herz. Ich stemme gegen die Tür, feder die Stöße in den Knien ab und wir reißen an meinen Kleidungsstücken, an, aus, kaputt.
«Verdammt!», sagt er. Ich kann denken wie er: «Verdammt! Ich will ficken, ficken, ficken bis wir heulen.» Wir heulen. Wir
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