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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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als sonst. Das Hotelbett quietscht. Das macht ihre Matratze zu Hause nicht. Es stört nicht, weil sie niemanden im Hotel kennen und wieder abreisen, wenn sie den Ruf haben, laut zu vögeln, jede Nacht. Er sieht brutal aus, als ob er straft, und sie schaut, als ob er zu viert über sie herfällt und darum passt es. Ihre Blicke sind unverwandt, weil seelenverwandt. Da kann nichts dazwischen gehalten werden, dann würde es Feuer fangen. Aber wer sollte denn etwas dazwischen halten. Gesine? Sie verscheuchen Gesine aus dem Zimmer. Dann stört Frank. Er verschwindet auch wieder. Sie lieben sich weiter, immer kurz vor dem Höhepunkt und dann wieder von vorne. Zwischen ihnen kann nichts sein, weil zwischen ihnen so viel ist.
    Die Ostseewellen greifen nach der Küste, tragen Hiddensee an der einen Seite ab und vergrößern Hiddensee gleichzeitig an der anderen Seite. Der Schaum der Wellen zerplatzt in Sekunden, jede Blase einzeln. Das kann sie nicht fotografieren, dafür bräuchte sie eine Videokamera, aber es reicht auch, wenn sie sagen: «Kuck mal!» und dann schauen sie, rennen weg, wenn eine Welle zu weit an den Strand kommt. Manchmal regnet es. Da setzen sie sich unter eine Palme, ja. Sie machen viele Fotos. Er wacht vom Klicken des Apparates auf, als sie knipst, wie er schläft, dann, wie er aufwacht, wie er lächelt, wie er nach ihr greift. Abends gehen sie Fische essen. Sie gehen immer Arm in Arm, sie schwimmen auch Arm in Arm, zum Essen lassen sie sich kurz los. Einmal verschluckt er eine Gräte und sie klopft ihm auf den Rücken. Die Fische schmecken gut, geräuchert oder paniert. Dann laufen sie Arm in Arm zurück. Sie ist sein Schrittmaß. Er läuft sonst schneller, aber er macht kleinere Schritte für sie. Sie schlendern, denn langsam gegangene Schritte sind richtig gegangene Schritte. Hat ihr Papa immer gesagt und jetzt sagt es Katrin. Dann taucht ihr Papa auf und sagt, sie solle sich doch mal wieder melden. Sie ignoriert ihn. Er verschwindet. Am nächsten Tag gehen sie wieder schwimmen. Eins, zwei, drei, rennen sie in die Ostsee. Auf der Sandbank fällt ein Ball vom Himmel und sie werfen ihn hin und her, bis eine Möwe ihn klaut. Dann schwimmt sie weit raus. Er steht auf der Sandbank und ruft ihren Namen, aber sie schwimmt noch weiter raus, weil er sehen soll, dass sie nicht sinken kann. Dann rettet er sie, genauso wie sie ihn im Fischrestaurant gerettet hat. Oder er rettet sie nicht und sie schwimmt einfach zu ihm zurück. Ihr ist warm von der Bewegung und er ist kalt, weil er gestanden hat und gerufen. Sein Oberkörper ist vom Wind abgekühlt. Es ist schön wie kalt er ist und wie warm sie ist. Sie kann ihn im Wasser hochheben, alleine. Sie ist stark, zu zweit. Er hat sich ein bisschen erkältet, darum machen sie gemeinsam vor dem Fernseher ein Fußbad. Sie schauen einen Schwarz-Weiß-Film, in dem viel geküsst wird, dabei verdeckt der Hinterkopf des Mannes immer alles. Im Hotel ist auch eine Sauna, alles im Preis, den er zahlt. Sie gehen in die Sauna. Sein Schweiß ist ein leckerer Aufguss. Sie weiß nicht, ob sie schon glücklicher war, mit wem auch immer oder alleine. Ihr Papa ist wieder da, auch nackt, er sagt, sie war doch als Kind glücklich, dabei hat sie nur darüber nachgedacht, ob sie schon einmal glücklicher war. Sie hat es gar nicht gesagt. Ihr Papa kann in ihrem Kopf lesen.
    «Wo ist Mama?», fragt sie ihn.
    «Das weißt du doch», sagt er und schmilzt.
    Sie sind wieder allein in der Sauna mit gelben Handtüchern. Nein, sie war noch nie glücklicher. Sie sagt ihm, dass sie platzt vor Liebe, sie sagt ihm alles, es läuft wie der Schweiß, alles. Dass er sie ein Leben lang begeistern wird, dass sie nicht die Augen schließen kann, weil sie Angst hat, dann ist er weg. Und wenn sie die Augen schließt, ist er gar nicht weg, dann ist er auch da. Sie ist voll von ihm und es passt noch mehr, mehr, noch mehr. Sie sagt ihm, dass sie weiß, was er am ersten Tag anhatte, dass jeder Moment, den er in ihrem Leben war, gespeichert ist, eingeschweißt wurde und ihr für immer gehört. Sie kann sich so viel merken, weil sie ihr Gedächtnis trainiert. Sie stellt häufig den Mülleimer um in ihrer Wohnung, dann kann sie nicht in immer derselben Bewegung die Mahnungen wegwerfen. Sie muss überlegen, wo der Mülleimer steht, aber das ist gut für ihr Gedächtnis. Holger taucht in der Sauna auf. Er ist nackt wie ein Kleinkind, kein Haar, aber dieser gerade entschlossene Mund.
    «Gib mir die Mahnungen!», sagt

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