Gefangen in der Todesgruft (Cassandra) (German Edition)
Geheimnisroman von Melissa Anderson
Copyright Jutta Ploessner (neu bearbeitete Version)
Jennifer graute es schrecklich vor dem einsamen Rückweg, aber es blieb ihr schließlich nichts anderes übrig. So nahm sie allen Mut zusammen und lief so schnell sie konnte in Richtung Killarney Castle.
Plötzlich glaubte sie außer ihren eigenen noch andere Schritte zu hören. Jennifer fuhr herum und leuchtete mit ihrer Taschenlampe um sich. Ganz In ihrer Nähe rieselten ein paar Steine, aber sonst war nichts zu hören. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass sich jemand ganz in ihrer Nähe befand.
"Jason?", rief sie mit vor Angst unnatürlich klingender Stimme. Doch nichts rührte sich. Jennifer hätte es auch gewundert, wenn er hier herumgeschlichen wäre, ohne sich zu erkennen zu geben.
Sie wollte sich gerade wieder abwenden, als sie fast einen Schrei ausgestoßen hätte, wenn ihre Kehle vor Schreck nicht wie zugeschnürt gewesen wäre.
Nur ein paar Meter von ihr entfernt funkelte ein Augenpaar im Gebüsch, das aber gleich darauf wieder verschwand.
Jennifer dachte an Tristan, aber der war ja nicht mehr am Leben. Welche Tiere gab es sonst noch auf der Insel? Doch darüber wollte sie sich jetzt nicht auch noch den Kopf zerbrechen. Sie wollte nur noch zum Schloss zurück und in ihr Zimmer. Wie gehetzt lief sie weiter.
Im ganzen Haus brannte kein Licht mehr, doch Rachel hatte die Eingangstür zum Glück noch nicht abgeschlossen. Jennifer ging sogleich zu Angies Zimmer hinauf in der Hoffnung, dass die Freundin in der Zwischenzeit zurückgekommen war. Doch leider war das nicht der Fall. Ihr wurde immer elender zumute. Was war bloß passiert?
Als sie die Tür wieder zuzog, hörte sie plötzlich ein Geräusch hinter sich und fuhr herum. Im Halbdunkel erblickte sie Rachels hagere Gestalt. Gewaltsam überwand Jennifer ihre Abneigung und ging auf die alte Frau zu.
"Rachel", sagte sie beschwörend, "Angie ist seit heute Morgen verschwunden, und keiner weiß, wo sie steckt. Haben Sie in der Zwischenzeit etwas von ihr gehört?"
Die alte Frau machte ein abweisendes Gesicht. "Wird auch umgebracht worden sein wie die andere", krächzte sie. Dann drehte sie sich um und verschwand in der Dunkelheit.
Jennifer lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Es hatte keinen Sinn. Mit Rachel konnte man nicht mehr vernünftig reden. Entnervt ging sie in ihr Zimmer und drehte den Schlüssel im Schloss um.
* * *
Im Antiquitätengeschäft 'Tudor House Antiques' in Bristol gab es an diesem Tag alle Hände voll zu tun. Jennifer Hardy, die hübsche junge Inhaberin, deckte gerade einen wertvollen alten Barocktisch ab und verstaute das Meißner Porzellan und die funkelnden Kristallgläser einstweilen vorsichtig in Kartons. Mr. Peacock, der langjährige Geschäftsführer, hatte den wuchtigen Esstisch samt der dazugehörigen sechs Stühle gestern verkauft, und heute sollte er an den Kunden geliefert werden. Für die festliche Tischdekoration musste Jennifer deshalb nun einen anderen Platz suchen.
"So einen dicken Brocken müsste man jeden Tag verkaufen können", meinte sie seufzend zu Mr. Peacock. "Dann hätte man keine Sorgen mehr."
Mr. Peacock zeigte eines seiner sparsamen Lächeln. "Ich glaube kaum, dass Sie Sorgen haben, Miss Hardy", erwiderte er, während er ihr einen der Kartons abnahm. "Tudor House Antiques läuft nach wie vor bestens, auch wenn wir nicht jeden Tag eine barocke Essgruppe verkaufen."
"Ja, da haben Sie Recht", stimmte Jennifer ihm lächelnd zu. "Und dass alles so gut läuft, habe ich nur Ihnen zu verdanken, Mr. Peacock. Allein hätte ich das Antiquitätengeschäft meines Onkels wohl nicht so erfolgreich weiterführen können."
"Sie sollten Ihr Licht nicht so unter den Scheffel stellen, Miss Hardy", wehrte Mr. Peacock bescheiden ab. "In dem halben Jahr, in dem wir beide zusammenarbeiten, habe ich feststellen können, dass Sie bereits über ein erstaunlich umfangreiches Fachwissen verfügen. Ihnen fehlt lediglich noch die Erfahrung, die jedoch ein junger Mensch in Ihrem Alter noch nicht haben kann."
"Danke, Mr. Peacock. Das gibt mir wieder neuen Mut", gab Jennifer gut gelaunt zurück und trug den anderen Karton mit dem Geschirr nach hinten. Dass es in den dunklen, wachsamen Augen ihres Angestellten einen Moment lang seltsam aufblitzte, bekam sie nicht mehr mit.
Später kam Mr. Hicksley, der hilfsbereite Hausmeister des ehrwürdigen Geschäftshauses, um beim Einladen der verkauften
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