Die Tochter der Dirne
ausgegeben, während sie die Kinder des Königs zur Welt brachte. „Die Ältere?“
Gloucester lachte spöttisch. „Es gibt zwei Töchter, und es ist wie bei den Hundewelpen. Es genügt, ‚Joan‘ zu rufen, und eine von beiden kommt gelaufen.“
Die grausamen Worte ließen Justin zusammenzucken, und er drehte sich widerstrebend um, ebenso wie der Rest des Hofes, um zu sehen, ob die Tochter noch Spuren der Sündhaftigkeit ihrer Mutter trug.
Er drehte sich um und konnte den Blick nicht mehr abwenden.
In der anmutigen Art, mit der sie sich bewegte, zeigte sich die Sinnlichkeit der Mutter, und ihr rabenschwarzes Haar erinnerte in nichts an das rotgoldene des Königs. „Sie sieht ihm gar nicht ähnlich“, murmelte er.
„Vielleicht hat die Dirne nur behauptet, die Kinder stammten vom König ab“, flüsterte Gloucester zurück.
Justin schüttelte den Kopf. „Ihre Haltung ist königlich.“
Mit hocherhobenem Kopf hielt sie den Blick auf einen Punkt oberhalb der Königskrone gerichtet und schritt dahin, als würde die Menge sie bewundern und nicht verachten.
Aber nun sah sie sich einen winzigen Moment lang im Raum um, und der Blick ihrer veilchenblau schimmernden, von Schmerz erfüllten Augen begegnete dem seinen.
Ihm stockte der Atem.
Ohne den Blick von ihm zu wenden, verharrte sie mitten in der Bewegung, und auch er stand wie versteinert.
Dann fasste sie sich, raffte die Röcke und schritt weiter auf den Thron zu.
Er schüttelte den Zauber ab und sah sich um. Niemand hatte bemerkt, dass sie einander eine Ewigkeit lang in die Augen gesehen hatten.
Sie knickste vor dem König, den Kopf hocherhoben. In Gedanken nannte Justin den Mann auf dem Thron nach wie vor einen Jungen, obwohl er mit seinen zwanzig Jahren schon sein halbes Leben lang König war. Doch noch immer erging er sich lieber in königlichen Zeremonien, anstatt sich um die harte Arbeit der Regierungsgeschäfte zu kümmern.
„Senkt den Blick“, sagte der König zu der Frau vor ihm.
Ein Anflug von Zorn bemächtigte sich ihrer, und sie erstarrte. Doch dann neigte sie ganz leicht den Kopf.
„Kniet nieder.“
Anmutig sank sie zu Boden, als hätte sie es geübt.
Justin holte tief Luft. Einmal. Dann noch einmal. Noch immer sagte der König nicht: „Erhebt Euch.“ Jemand in der Menge hustete leise und durchbrach damit die Stille.
Ihre Hände ruhten still an ihren Seiten, doch mit den Fingern zerdrückte sie die Falten ihres dunkelroten Rockes.
Justin unterdrückte einen Anflug von Mitleid. Der Blick dieser Frau war ihm Warnung genug. Ihre Mutter hatte einen König bezaubert. Er würde auf der Hut sein.
Denn die Blicke einer Frau hatten ihn schon einmal betrogen – vor langer Zeit.
Joan hatte gewusst, dass der König sie prüfen würde. Kniet nie der. Also tat sie es. Ihre Mutter hatte sie gut unterrichtet. Erra te seine Bedürfnisse und befriedige sie. Das ist unsere einzige Chance. Richard benötigte Unterwürfigkeit, das war offensichtlich. Die würde sie ihm erweisen und tun, was immer sonst noch nötig war, damit sie von dem Geld aus der königlichen Schatulle leben konnten.
Zumindest eines gab es, das er nicht von ihr verlangen würde. Durch ihrer beider Adern floss das Blut des alten Königs. Sie würde dem König nicht in der Weise zu Gefallen sein müssen, wie ihre Mutter es getan hatte.
Jetzt hörte sie kein Geflüster. Stumm sah der Hof zu, wie Richard sie auf schmerzenden Knien warten ließ, so lange, dass sie ein Vaterunser für die Sünden ihrer Mutter hätte beten können.
Mit gesenktem Blick sah sie hinüber zum Rand des Holzfußbodens. Die spitzen Schuhe der Männer waren nach oben gebogen wie einladende Finger. Sie unterdrückte ein Lächeln. Männer und ihre Eitelkeiten. Offensichtlich dachten sie, dass die Länge ihrer Schuhe etwas über ihre Männlichkeit aussagte.
Doch als sie vorhin dem so hart wirkenden Mann am Rande der Menge in die Augen gesehen hatte, wäre sie um ein Haar gestolpert. Seine strenge Kleidung und sein unerbittlicher Blick stachen von den Pfauen hier so scharf ab wie die Klinge eines Messers. Einen Moment lang hatte sie alles um sich herum vergessen. Sogar den König.
Ein gedankenloser Fehler. Sie hatte keine Zeit für Gefühle. Nur für Notwendigkeiten.
Endlich hörte sie wieder die hohe Stimme des Königs. „Lady Joan, Tochter von Sir William Weston, erhebt Euch und neigt Euer Haupt.“
Ohne eine Hand, auf die sie sich stützen konnte, schwankte sie ein wenig, als sie aufstand. Sie zwang
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