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Die Tochter der Dirne

Die Tochter der Dirne

Titel: Die Tochter der Dirne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BLYTHE GIFFORD
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ich bin nicht mehr deine Spielfigur.“
    Und ihr schien es, als unterdrückte ihre Mutter ein Lächeln.

23. KAPITEL
    „Solay, kann ich mit dir reden?“ Jane, die schlaksige Fünfzehnjährige, stand an der Türschwelle und trat verlegen von einem Fuß auf den anderen.
    Solay blickte von ihrem Geburtshoroskop auf, über dem sie gegrübelt hatte. Jeden Planeten, jedes Haus musste sie selbst zu ergründen versuchen, ohne den Arzt zu fragen. Denn dieser glaubte, sie interessiere sich nur für Kräuter und Heilkunde. „Natürlich.“
    Jane trug das helle Haar zusammengebunden, damit es ihr nicht ins Gesicht fiel. Unter Tunika und Hose erkannte Solay die Rundungen von Brüsten und Hüften. Wie konnte das Mädchen so herangewachsen sein, ohne dass sie es bemerkt hatte?
    Jane begann ohne Vorrede. „Was wird aus uns werden? Ohne das Haus?“
    Ihre Worte verschlugen Solay die Sprache.
    Bei ihrer Flucht auf das Land war Jane erst fünf gewesen, zu jung, um sich genauer an ihren Vater zu erinnern, an den Hof und seine Fallstricke. Ihre Mutter hatte geplant, dass Solay an den Hof zurückkehren sollte. Jane dagegen sollte zu Hause bleiben und sich um sie kümmern, wenn sie alt wurde. Also wurde Solay in Anmut und Benehmen ausgebildet, während Jane heranwuchs, wie sie wollte, halbwild, draußen mit den Tieren spielte und Bücher als ihre liebsten Gesellschafter ansah.
    Jetzt schien Solay diese Nachlässigkeit gedankenlos und grausam. Lieber Gott, wenn sie den Fall verloren, wie sollte dieses naive, jungenhafte Mädchen ohne den Schutz dieses Hauses leben?
    Sie holte tief Luft. Jane hatte immer die Wahrheit bevorzugt, selbst wenn sie ihr nicht gefiel. „Wir werden Justins Gnade ausgeliefert sein.“
    „Wird er uns ein anderes Haus suchen?“
    Janes Frage zerstörte den Rest des schönen Traums, dem sie sich hingegeben hatte. Ihr zerbrechlicher Friede mit Justin hatte eine zeitlose Blase geschaffen, die König und Hof außen vor ließ. Jetzt sah sie der Wahrheit ins Angesicht. Was würde aus ihrer Mutter und ihrer Schwester werden, wenn der Fall verloren wurde? Nicht einmal der König konnte einen Gemahl finden für eine Frau, die sich nur mit Pferden und Büchern auskannte.
    „Ja. Ja, ich bin sicher, dass er das wird.“ Gerade noch hatte sie ihrer Mutter all seine Tugenden genannt. Justin war ein Mann, der seine Pflicht erfüllen würde. So gut kannte sie ihn.
    „Er mag mich ein wenig, nicht wahr? Er sagte, ich war ihm eine große Hilfe bei den Dokumenten, die er brauchte.“
    Solay verspürte einen Stich im Herzen. Bei all ihrem jungenhaften Ungestüm hatte Jane zum ersten Mal die Lektion befolgt, die Solay und ihre Mutter immer schon gekannt hatten: dass ihr Leben davon abhing, das Wohlgefallen anderer zu erringen. „Natürlich mag er dich.“
    „Als ich Fragen über die Gesetze stellte, erklärte er mir einiges, und es schien ihm nichts auszumachen. Vielleicht kann ich ihm nützlich sein. Wie ein Schreiber.“
    „Keine Sorge, Jane. Alles wird gut werden.“ Aber als sie ihre Schwester umarmte, entschied sie, dass sie das Thema nicht länger umgehen konnte. Sie würde Justin danach fragen, wenn er zurück war, und hoffte, dass ihr die Antwort gefallen würde.
    Nachdem Jane gegangen war, zog Solay ein neues Blatt hervor. Ob sie in den Sternen einen Hinweis darauf finden konnte, was ihrer Schwester bevorstand?
    Sie zeichnete das Quadrat für den Wassermann, Aquarius, das Zeichen, unter dem Jane geboren war, und seufzte dann. Sie hatte wenig Glück gehabt, ihre eigene Deutung zu entwickeln. In der Mitte ihrer Karte hockte ganz allein der Krebs und wartete darauf, dass die richtigen Planeten ihn umgaben.
    Sie war ganz und gar nicht davon überzeugt, dass das, was sie da aufgeschrieben hatte, richtig war. Im vierten Haus, dem der Familie, hatte sie einen großen Planeten erwartet, ein Zeichen von königlicher Macht, Mars oder vielleicht Jupiter. Stattdessen stand dieses Haus leer.
    Das konnte nur bedeuten, dass sie noch viel lernen musste.
    Zwei Tage vor Mittsommer traf Justins Truhe ein, daher lauschte Solay den ganzen nächsten Tag auf sein Pferd, und erst, als sie es hörte, war sie sicher, dass er wirklich zurückkam. Fest entschlossen, zu gefallen, flog Jane förmlich zur Tür hinaus, um sein Pferd in den Stall zu bringen.
    Solay folgte ihr auf dem Fuße. Als er absaß und Jane die Zügel reichte, schlang Solay die Arme um seine Taille und hielt ihn fest, und er erwiderte die Umarmung.
    „Ich habe Euch vermisst“,

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