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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Als ihn einmal ein Bannwart vertreiben wollte, wurde dieser von den aufgebrachten Patienten verprügelt. Anfangs erhielt Sonntag von Ambrosius’ Einnahmen einen großzügigen Anteil für den gemeinschaftlichen Einkauf von Essensvorräten und Viehfutter, doch je häufiger die Münzen in der Kasse klingelten, desto geiziger wurde Ambrosius.
    «Das Schlimme ist, dass wir auf diesen Quacksalber mit seinem Gewürm auch noch angewiesen sind», schimpfte Diego. «Ohne seine Almosen müssten wir bald Gras fressen.»
    Kurz vor Blaubeuren und damit nur noch eine gute Tagesreise vor Ulm stieß ein riesiges, schwarz geteertes Fuhrwerk zu ihnen, mit grellroter Aufschrift am Heck: BASILS CREATUREN. Auf dem Kutschbock hockten zwei grobschlächtige, schwarzhaarige Burschen mit einem großen Hund, dessen Fell ebenfalls rabenschwarz war. Kaum hatte das Fuhrwerk zu ihrem Tross aufgeschlossen, sprang der Köter herunter und fing eine Beißerei mit Tilmans Hunden an. Aufgeschreckt von dem Lärm, ließ Sonntag anhalten und eilte nach hinten, um nach dem Rechten zu sehen. Tilman war inzwischen mit einem Stock dazwischengefahren und hatte sich dadurch den Unmut der beiden Fremden zugezogen.
    «Wenn du noch einmal meinen Hund anrührst, versohle ich dir den Arsch, dass du nie mehr sitzen kannst», schnauzte der Ältere, ein Hüne mit Vollbart und verfilztem Haar.
    «Er hat angefangen», verteidigte sich der Junge.
    Sonntag stellte sich dazwischen und zog den Hut. «Leonhard Sonntag und seine Compagnie. Und wer seid Ihr?»
    «Dachte ich mir’s, dass Ihr Spielleute seid.» Der Hüne grinste und versetzte seinem Hund einen Tritt. Mit eingekniffenem Schwanz sprang das Tier auf den Kutschbock zurück.
    «Ich bin Basil Bockmann, und der da ist mein kleiner Bruder Barthel. Vielleicht können wir ins Geschäft kommen.»
    «Worüber?»
    «Ihr seid Fahrende, wir auch. In harten Zeiten wie diesen sollte man sich nicht alleine durchkämpfen, zumal wenn man einander so trefflich ergänzt wie wahrscheinlich Eure Truppe und meine.»
    «Truppe? Wie ich sehe, seid Ihr nur zu zweit?»
    Basil lachte. «Der Rest befindet sich im Wagen. Basils Creaturen, das außergewöhnlichste Monstrositätenkabinett im Reich.»
    Marthe-Marie sah, wie sich Maruschs Blick verfinsterte, doch sie schwieg.
    «Nun gut. Wir wollten sowieso gerade einen Platz zum Übernachten suchen. Wenn Ihr mitkommt, könnt Ihr gern zeigen, was Ihr zu bieten habt.»
    Als die Brüder Bockmann ihnen Stunden später in einem schwarzen Zelt, in das kein Lichtstrahl drang, ihre Sensationen vorführten, packte Marthe-Marie das Grauen. Den Anfang machte der zottige Hund, der mit gefletschten Zähnen hinter dem Eingang des Zeltes lauerte und plötzlich drei Köpfe hatte. Neben dem Tier standen hohe Glasgefäße, blau und schwefelgrün illuminiert, in denen Missgeburten schwebten: die eine mit verkrüppelten Flossen statt Armen und Beinen, die andere mit zwei Köpfen, die dritte ohne Augen und Mund.
    «Tretet nur näher heran», ermunterte Basil seine Besucher. «Hier seht ihr die Folgen von unheiligen, widernatürlichen Paarungen, wie unsere Mutter Kirche sagen würde.»
    Dann beleuchtete er mit seiner Fackel einen Drahtkäfig, in dem sich das widerwärtigste Tier befand, das Marthe-Marie je gesehen hatte: Es lag seiner kurzen krummen Füße wegen platt auf dem Bauch, war mindestens vier Fuß lang und hatte verhornte Haut von schlammiger Farbe. Man hätte es mit einer riesigen hässlichen Eidechse vergleichen können, wäre da nicht dieses aufgerissene Maul mit einer langen Reihe säbelspitzer Zähne gewesen.
    «Ein Krokodil», flüsterte Marusch. In diesem Moment warf Barthel dem Ungeheuer eine zappelnde Maus zwischen die Kiefer, die sofort krachend zuschnappten.
    «Und dort seht ihr meine neueste Errungenschaft, frisch aus Südafrika: Ein leibhaftiger wilder Hottentotte.» Basil leuchtete dem schwarzen Mann, der nur mit einem Lendenschurz bekleidet war, direkt ins Gesicht. Die wulstigen Lippen leuchteten blutrot, in Nase und Ohren hingen schwere Silberringe, und auf der glänzenden haarlosen Brust trug er eine Kordel aus getrocknetem Gedärm. Marthe-Marie sah, wie ein Zittern über die Haut des schwarzen Mannes lief und seine weißen Augäpfel ängstlich hin- und herzuckten.
    «Die Menschen dieses Negerstamms sind keiner menschlichen Sprache mächtig.» Basil tippte dem Schwarzen gegen die Schulter, bis dieser leise Schnalzlaute auszustoßen begann. «Sie fressen am liebsten rohes Fleisch und frische

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