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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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dem die Krähen bereits die Augen ausgehackt hatten, als schlechtes Zeichen zu sehen war. Allein der Anblick dieser Stadt, eingezwängt zwischen steilen Waldhängen und schroffen Felsspitzen, auf deren höchsten sich gleich drei Festungen und Wachburgen erhoben, machte sie befangen. Sie hoffte inständig, nicht wieder in einer dieser Vorstadtherbergen absteigen zu müssen.
    Sonntag stellte sich in aller Höflichkeit dem Torwächter vor und fragte nach der Schützengesellschaft.
    «Wollt Ihr beim Schützenfest an Pfingsten aufspielen?»
    «Wenn es uns erlaubt ist, sehr gern.»
    «Nehmt hier den äußeren Weg entlang der Stadtmauer, bis Ihr ans Ulmer Tor gelangt. Dort fragt nach dem Armbrustschützen Cornelius Metzger. Der Schützenrain befindet sich gleich vor dem Graben.»
    Wenig später war alles in die Wege geleitet. Cornelius Metzger, Vorsitzender der Schützengesellschaft und zugleich Mitglied des Magistrats, schritt mit ihnen den weitläufigen Schützenrain ab, an dessen Ende sich einige strohbedeckte Lauben befanden.
    «Heute in acht Tagen geht es los, vier Tage lang. Über hundert Schützen erwarten wir, von der Alb und aus ganz Oberschwaben. Bis mittags zur dritten Stunde findet das Wettschießen von Bogen, Armbrust und Büchse statt, im Anschluss könnt Ihr Eure Darbietungen zeigen. Zum Tanz dürft Ihr nicht aufspielen, dafür haben wir unsere städtischen Musikanten. Leider kann ich Euch nicht in unserer Fremdenherberge unterbringen – das ‹Lamm› ist vor einigen Wochen abgebrannt, und die übrigen Gasthäuser nehmen keine Fahrenden auf. Aber Ihr seid ja an das Leben unter freiem Himmel gewöhnt. Gleich hinter dem Schützenrain, neben der Talmühle, könnt Ihr lagern.»
    Dem freundlichen Armbrustschützen mit dem feuerroten Bart schien Sonntags Truppe gerade recht gekommen zu sein, denn ohne die Auflistung ihres Repertoires sehen zu wollen, schlug er, nachdem sie sich in der Bezahlung einig geworden waren, in Sonntags Hand ein.
    «Die offizielle Lizenz übergebe ich Euch dann morgen – eine reine Formalität.»
    Sie errichteten ihr Lager zwischen dem kleinen Flüsschen Aach und einem sich mitten im Talkessel erhebenden Bergrücken, auf dem das Schloss der Obervögte thronte. Marthe-Marie half ihrer Freundin beim Ausspannen. Von hier aus, zumal an diesem herrlich milden Frühsommertag, war Blaubeuren doch recht hübsch anzusehen, mit seinen Türmen und Zinnen vor den dunkelgrünenBergwäldern, aus denen hier und da bizarre Felsgebilde ragten. Sie summte ein Kinderlied vor sich hin, bis sie bemerkte, dass Diego sie beobachtete. Kurzerhand drehte sie ihm den Rücken zu.
    Da die Tage lang waren, hatten sie keine Eile mit Holzsammeln und Feuermachen. Sonntag schlug vor, einen kleinen Gang durch die Stadt zu unternehmen.
    «Vielleicht möchte uns der Herr Prinzipal im Wirtshaus ja auf einen Krug Bier einladen?» Marusch war ganz offensichtlich verstimmt.
    «Warum nicht? Ist irgendetwas mit dir?»
    «Und ob. In unserer Kasse findest du nicht einmal ein Staubkorn, so leer ist sie. Kannst du mir verraten, warum du keinen Vorschuss ausgehandelt hast?»
    «Die paar Tage werden wir schon über die Runden kommen.»
    «So, werden wir? Was sagst du dazu, Mettel? Haben wir noch genug Vorräte an Speckseiten, Brathühnern und eingemachtem Kraut?»
    Mettel ließ sich nicht anstecken von Maruschs Unmut. «Außer an Mehl besitzen wir überhaupt keine Vorräte, das weißt du», entgegnete sie ruhig. «Du müsstest aber auch wissen, dass sich trotzdem jeden Abend etwas in der Suppe findet.»
    Marusch nickte. «Das ist es ja. Würdest du bitte meinem Leo und allen hier Anwesenden verraten, wie du inzwischen täglich zu Radies und Rettich, zu Mangold und Karotten kommst? Mit Salomes Hellseherkünsten wohl nicht.»
    Mettel zuckte die Schultern. «Ich halte selbst Augen und Ohren offen.»
    «Heißt das, du   –» Marthe-Marie sprach das Ungeheuerliche nicht aus. Sie hatte nie darüber nachgedacht, ob und wie viel Geld Mettel zur Verfügung hatte, um sie alle zu verköstigen. Sicher, es gab seit Wochen kaum noch Fleisch oder Fisch, Schmalhans war längst Küchenmeister geworden, doch an Hunger litt bisher keiner.
    Jetzt, da alle sie anstarrten, wurde Mettel doch ärgerlich. «Marusch übertreibt. In Urach war ich auf dem Markt, ihr wart selbst dabei und habt mir beim Tragen geholfen.»
    «Das ist lange her.» Sonntag kaute an seinem Daumennagel. «Nun denn – machen wir einen Spaziergang in die Stadt. Ich werde diesen

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