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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Därme – es darf auch vom Menschen sein. Und hier», er führte sie weiter, «die klügste unserer Kreaturen: Balthasar von der Rosen, der Sitzzwerg. Einst erster Narr am Kaiserhof.»
    Vor einem Schachbrett saß ein armloser Zwerg mit Schellenkappe und kurzer Pumphose, aus der zwei verkrüppelte Beinchen ragten. Zwischen den bloßen, viel zu lang geratenen Zehen hielt er die Schachfiguren und setzte sie so geschickt wie andere Menschen mit den Fingern.
    «Balthasar kann noch mehr: Mit seinen Zehen näht und stickter, trifft jedes Ziel aus stattlicher Entfernung oder schenkt sich einen Humpen Bier auf seinem Kopf ein. Doch um nicht Eure kostbare Zeit zu stehlen, möchte ich gleich zum Höhepunkt kommen: unsere Monsterfrau ohne Gesicht.»
    Doch Marthe-Marie hatte sich längst zum Eingang geschlichen und schlüpfte schnell hinaus, um nicht wider Willen noch eine weitere dieser bedauernswerten Kreaturen ansehen zu müssen. Sie holte tief Luft. Wie roh, ekelhaft und unbarmherzig Menschen sein konnten. Diesem Zurschaustellen armer Seelen hatte sie noch nie etwas abgewinnen können.
    Sie setzte sich zu Salome auf einen umgestürzten Baustamm. Die Wahrsagerin war als Einzige der Einladung ins Zelt nicht gefolgt – verständlicherweise.
    «Es ist widerlich», sagte Marthe-Marie leise.
    Salome kicherte. «Der Größere hat mich gefragt, ob ich mich seinem Monstrositätenkabinett nicht anschließen will. Eine bucklige Zwergin, die hellsehen kann, wäre für ihn ein großer Zugewinn.»
    «Und was hast du geantwortet?»
    «Nichts. Mit solchen Menschen spreche ich grundsätzlich nicht.»
    Die anderen kamen aus dem Zelt. Auf ihren Gesichtern spiegelte sich noch der Schrecken dessen, was sie eben gesehen hatten, und Agnes warf sich ihrer Mutter weinend in die Arme.
    Basil stemmte die Arme in die Seite und grinste in die Runde. «Nun? Was haltet Ihr von Basils Creaturen? Leider ist eine unserer Hauptattraktionen letzte Woche davongelaufen – ein Haarmensch aus Siebenbürgen, der von oben bis unten mit dichtem Fell bedeckt war. Ein ganz außergewöhnliches Exemplar.»
    «Sehr beeindruckend.» Sonntag warf einen verstohlenen Blick auf seine Gefährtin. «Setzt Euch mit uns ans Feuer und esst mit uns. Dann können wir in Ruhe alles bereden.»
    «Sehr schön. Wir bringen nur eben unsere kleinen Ungeheuer zurück in den Wagen. Bis gleich.»
    «Was gibt es da zu bereden?», blaffte Marusch Sonntag an, nachdem die beiden Brüder in ihrem Zelt verschwunden waren. «Haben wir mit solchen Leuten irgendwas zu schaffen?»
    «Jetzt sei doch nicht gleich so störrisch – ich weiß, Missgeburten zu zeigen hat nichts mit Kunst und Können zu tun. Aber das hier wäre im Moment die glücklichste Fügung des Schicksals, um aus unserer Misere herauszukommen. Du musst zugeben, der Spiegeltrick mit dem dreiköpfigen Hund ist wirklich gekonnt. Und dieses Krokodil ersetzt Pantaleons Kamel bei weitem.»
    «Wir haben vereinbart, niemals Abnormitäten zu zeigen.»
    «Sei doch vernünftig, Marusch. Was meinst du, was wir wieder für einen Zulauf hätten.»
    «Sonntag hat Recht», mischte sich Lambert ein. «Wir müssen auch ein wenig an die Kinder denken. Wenn wir nicht bald mehr einnehmen, bleibt nichts für den Winter. Und der, fürchte ich, wird dann noch schlimmer als der letzte. Ich wäre auch dafür, dass die beiden mit uns reisen, zumindest den Sommer über.»
    Caspar neben ihm schüttelte heftig den Kopf und wollte gerade etwas entgegnen, da traten die beiden Brüder ans Feuer.
    «Kommen wir also ins Geschäft?»
    «Es gibt noch ein paar Unstimmigkeiten zu klären. Ich denke, wir sollten uns mit der Entscheidung bis morgen früh Zeit lassen. Hier, trinkt.» Sonntag reichte ihnen zwei Krüge. «Ein hervorragender Roter aus Tübingen.»
    Marusch stellt sich neben Basil. «Warum wollt Ihr Euch eigentlich unserer Truppe anschließen?»
    «Ihr wisst doch selbst, wie gefährlich es ist, allein zu reisen. Wir würden von Eurem Schutz profitieren, Ihr hingegen von unseren sensationellen Darbietungen.»
    «Wenn Eure Schau so sensationell ist – warum reist Ihr dannüberhaupt allein? Jeder Gauklertross müsste sich um Euch reißen.»
    Für einen kurzen Moment verschwand die Selbstzufriedenheit aus Basils Gesicht. «Nun ja – widrige Umstände, dazu böswillige Reisegenossen, dann war mein Bruder lange Zeit sterbenskrank. Wie das Leben halt so spielt. Jedenfalls mussten wir eines Tages allein weiterreisen.»
    Marusch verzog keine Miene. «Und wie haltet Ihr

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