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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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es mit Eurer Truppe? Mit dem Mohren, dem Zwergen, der Frau ohne Gesicht? Sind das für Euch Menschen, oder seht Ihr in ihnen eine Art Vieh, das eingesperrt und in Ketten gehalten werden muss?»
    Verunsichert sah Basil zu Sonntag. «Ist das die Prinzipalin?»
    «Manches Mal – ja.»
    An diesem Abend fanden sie zu keiner Entscheidung mehr. Die Frauen und Kinder gingen bald schlafen, die Männer blieben noch mit den Bockmannbrüdern, die ein Fässchen Bier gestiftet hatten, am Feuer sitzen.
    «Was hast du Sonntag eben noch zugeflüstert?», fragte Marthe-Marie, während sie mit Marusch das Nachtlager richtete.
    «Ich habe gesagt: ‹Wenn du dich für diese Brüder entscheidest, werden wir ab morgen getrennte Wege gehen.›»
    «Ist das dein Ernst?»
    «Keine Sorge, ich weiß, wie mein Löwe sich entscheiden wird.»
    Am nächsten Morgen zogen Basil und Barthel Bockmann mit mürrischen Gesichtern in entgegengesetzter Richtung davon. Zu aller Überraschung hatte sich Ambrosius ihnen in letzter Minute angeschlossen. Der Prinzipal tobte.
    «Dieses ausgestrichene Schlitzohr! Lässt uns einfach im Stich!»
    «Wundert dich das?» Marusch nahm ihn beim Arm. «Ambrosius hat es schon immer dorthin gezogen, wo der Bratenduft weht.»
    Sie spannten ein und erreichten kurz darauf einen Flecken namens Suppingen. Von hier führte der kürzeste Weg nach Ulm hinunter,wie ihnen ein Bauer erklärt hatte. Doch dann wurden sie von einem schwarz-gelb gestreiften Schlagbaum und einem herzoglichen Zollbeamten aufgehalten. Als Sonntag nach seinem Ziel gefragt wurde, gab er wahrheitsgemäß zur Auskunft, dass sie über Herrlingen weiter nach der freien Reichsstadt Ulm wollten.
    «Nach Herrlingen oder Ulm?», fragte der Beamte ungeduldig.
    «Nun ja – letztendlich nach Ulm.»
    «Dann müsst ihr den Weg über Blaubeuren nehmen.»
    «Aber das ist ein Umweg. Wir haben schweres Fuhrwerk und Handkarren dabei, das kostet uns einen ganzen Tag.»
    «Und einen schönen Batzen Zoll», flüsterte Marusch Marthe-Marie zu. Neugierig hatte sie ihren Wohnwagen bis zur Schranke vorgefahren. «Gibt es für diesen Umweg einen vernünftigen Grund, werter Meister?» Sie setzte ein entzückendes Lächeln auf.
    «Ihr seid Fernreisende, und Fernreisende nach Ulm müssen die Straße über Blaubeuren nehmen. Das ist landesherrliche Vorschrift.»
    Marusch ließ nicht locker. «Und wenn wir nun aber zunächst nach Herrlingen möchten?»
    Der Zöllner grinste breit. «Hör zu, du Zigeunerweib, ich lass mich nicht an der Nase herumführen. Ihr seid Gaukler, und euer Ziel ist Ulm. Ich rate euch: Streitet nicht mit mir herum.»
    «Schon gut.» Sonntag verzog unwillig das Gesicht. «Können wir nur hoffen, dass uns damit das Pfingstfest in Ulm nicht durch die Lappen geht.»
    «Ich gebe euch einen Rat.» Das Gesicht des Zöllners wurde freundlicher. «Bleibt über Pfingsten in Blaubeuren, da ist großes Schützenfest. Zufällig weiß ich, dass es in Ulm für Spielleute mitunter schwierig ist, Konzession zu erlangen.»
    «Nun denn – habt Dank für die Auskunft.»
    Einzig Marthe-Marie war froh über diesen Umweg, denn sie war sich sicher, dass Jonas inzwischen in Ulm lebte. Und vielleichtwürde man sie in Ulm erst gar nicht durchs Tor lassen. Fast hoffte sie darauf, auch wenn es für die Truppe einen weiteren Rückschlag bedeuten würde.
    «Diese vermaledeiten Württemberger», fluchte Sonntag lauthals vor sich hin, als sie sich den engen, steilen Weg nach Blaubeuren hinunterkämpften. «Beutelschneider sind das, Raffzähne, Haderlumpen! Freiwillig würde hier doch kein Wagen runterfahren.»
    Tatsächlich mussten die Steigen um Blaubeuren herum jeden Fuhrmann, der nicht im Städtchen oder Kloster zu tun hatte, abschrecken. Zudem lag Blaubeuren im äußersten südöstlichen Winkel Württembergs: Die Aach talaufwärts begann das vorderösterreichische Gebiet Oberschwabens, die Blau talabwärts das Territorium der freien Reichsstadt Ulm. So war es ein kluger Schachzug des Herzogs, den westöstlichen Fernhandel über die Grenzstadt seines Herrschaftsgebiets zu zwingen und von den Fuhr- und Kaufleuten kräftig abzusahnen: für Vor- und Beispann oder Umladen an den Steilstellen, für Beherbergung und Verköstigung, Fütterung und Stallmiete, Straßengeld und Brückenzoll.
    Zu Mittag erreichten sie, kurz hinter einer Richtstätte mit drei Galgen am Wegesrand, die Mauern der kleinen Vorstadt. Marthe-Marie fragte sich, ob der Tote, der da am höchsten Galgen sanft hin und her schwang und

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