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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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sich über die Mischung aus Angst und Zorn erschreckt, die sie darin entdeckt hatte.
    Er versuchte, die Sache herunterzuspielen. »Es ist eine leere Warnung, sonst nichts. Von Zeit zu Zeit werde ich von solchen Talismanen erinnert. Die tonangebende Person des Gelben Drachens und ich hatten in der Vergangenheit Auseinandersetzungen, wir sind aber zu einer Übereinkunft gekommen.« Er ergriff das Papier und drehte es geistesabwesend herum. »Das hätte von jedem geschickt werden können, der Ärger machen möchte, vielleicht von jemandem aus dem Haus. Ich werde mit Ah-Ho reden. Sollte es jemand von uns sein, dann bekomme ich es heraus und regle das.« Er hatte etwas von seiner Fassung wiedererlangt und strich sich nun übers Haar.
    »Aber die Warnung wurde an mich geschickt, nicht an dich. Ich
muss wissen, was sie bedeutet. Das Loch ist nicht durch ein Messer entstanden, und es wurde auch nicht hineingebrannt. Wie wurde es gemacht, und was soll es bedeuten?«
    Er erhob sich von seinem Stuhl, führte sie zu dem näher am Feuer gelegenen Sofa und setzte sich neben sie. Er ergriff ihre Hände, küsste sie zärtlich und hielt sie sich an die Wangen, ehe er zu sprechen begann. »Was ich dir nun erzählen werde, ist nur einem bekannt, Indie da Silva. Wenn du, nachdem ich fertig bin, beschließen solltest, an meinem Leben nicht mehr weiter teilhaben zu wollen, so werde ich das, ohne Frage, verstehen und dafür sorgen, dass du gut versorgt und beschützt bist.«
    »Wenn es Dinge gibt, die ich wissen sollte, dann höre ich zu und meistere sie zusammen mit dir«, antwortete Li.
    Über eine Stunde lang lauschte Li der Geschichte über die Fehde von Bens Vater mit Titan Ching, dem Oberherrn aus Shanghai, der vor dreißig Jahren einen Blutschwur gegen das Haus Devereaux geleistet hatte. Ben hatte immer gewusst, dass der Grund, wieso sein Vater mit ihm als Kleinkind aus Shanghai geflohen war, nicht die Angst vor dem Boxeraufstand war, sondern der Schwur, der seinen erstgeborenen Sohn zum Tode verdammte.
    »Solche Fehden haben komplexe Gesetze, die die rituelle Hinrichtung eines Jungen im Alter zwischen drei und zehn durch irgendeinen der Soldaten des Gelben Drachen in der ganzen chinesischen Unterwelt verlangen. Wenn ich die ersten zehn Lebensjahre überlebte, sollte der Schwur zurückgezogen werden und die Fehde ein Ende finden. Es gibt jedoch Ausnahmen. Falls man zu dem Schluss kommt, dass der Junge Neigung zu einem Krieger zeigt, der nach Rache dürstet, kann der Räuchermeister, der persönliche Berater des Drachenkopfs, den Blutschwur für weitere acht Jahre verlängern.
    Als ich schließlich nach Shanghai zurückkehrte, waren sowohl mein Vater als auch Titan Ching tot, folglich begab ich mich zum neuen Drachenoberhaupt, seinem Sohn, J. T. Ching, und focht den Schwur an, bot an, mich selbst in einem ku-ma-tai zu beweisen
oder bis zum Tod zu kämpfen.« In dem Bewusstsein, wie dramatisch seine Worte erscheinen mussten, hielt Ben inne.
    »Für mich war ein Leben unter ständiger Bedrohung nicht lebenswert. Ich war so eine Art Kämpfer mit bloßen Händen geworden, ein Champion im westlichen Sinne, und das Glück war mir hold. Als ich ihren ranghöchsten Boxer besiegte, den Träger der goldenen Schärpe, einigte man sich darauf, dass nun der Ehre Genüge getan und die Blutfehde zwischen dem Haus Ching und dem Haus Devereaux beendet sei.«
    Er deutete auf das unheilverkündende Papier. »Dass dieser Talisman von J. T. Ching ist, glaube ich nicht. Der Triade liegt an traditioneller Glaubwürdigkeit. Sie sind stolz auf die Kultiviertheit ihrer Rituale. Das ist zu primitiv.« Sie blickte ihn so durchdringend und unverwandt an, dass er den Blick abwenden musste.
    Sein Zögern fortzufahren fand sie bedenklicher als seine Worte. »Von wem dann? Ich habe ein Recht darauf zu erfahren, wen du verdächtigst!«
    Er holte tief Luft, schüttelte den Kopf, als wolle er ihn von unerwünschten Bildern befreien. Sie wartete, bis er schließlich fortfuhr. »Ich habe mehr Feinde, als ich zählen kann … aber ich glaube, nur einer ist verrückt genug, bei einer solchen Sache die Hand im Spiel zu haben. Er heißt Chiang-Wah, im Hafenviertel bekannt als Chiang-Wah der Grimmige.«
    Ben konnte sich bei der Beschreibung seines Feindes ein kleines Lächeln nicht verkneifen. »Es heißt, er könne die Planken eines Sampans spalten oder einen irdenen Wasserbehälter zerbrechen, indem er wie ein Bulle auf ihn losgeht. Vielleicht ist es dieser Teil seiner

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