Die Tochter der Konkubine
versicherte er. »Seine Mauern und sein Eingang werden immer bewacht.« Ben bemühte sich um einen zuversichtlichen Ton. »In Repulse Bay wohnen viele reiche Leute, und es wird von bewaffneten Patrouillen bewacht. Jede Vorkehrung wurde getroffen, um absolute Sicherheit zu gewährleisten.«
»Und wird es einen Garten geben, so schön wie dieser hier?«, fragte sie. »Wird die Luft abends den Duft von Jasmin und morgens den von Gardenien mit sich führen, und wird jeder Tag von Vogelgesang begrüßt?«
»Schöner noch: Ah-Kin hat das Anwesen nach den himmlischen Gärten von Ti-Yuan in Peking entworfen. Es soll unser Ort des Friedens und der Zufriedenheit sein. Und wenn es denn sein muss, wird es auch unsere Festung sein.«
Ben drehte sich zu ihr um, und auf seinem Gesicht breitete sich langsam ein Lächeln aus. »Deine Götter und meine haben dich sicher in meine Arme gelegt … und nur sie können dich von mir fortnehmen.«
»Dann habe ich keine Angst, dort mit dir zu leben. Bereits jetzt hast du mir mehr Freiheit und Glück gegeben, als ich je erhoffen konnte. Wenn uns unsere Götter weiterhin gewogen sind, werden wir Söhne großziehen, die so mutig und stark sind wie ihr Vater.«
Ben lächelte sie bewundernd an. »Und Töchter, die so mutig und schön sind wie ihre Mutter.«
Li erwiderte sein Lächeln, wusste jedoch, dass das Gespräch hier nicht enden durfte. Sie nahm das böse gelbe Viereck wieder zur Hand und betrachtete es genauer.
»Wir müssen herausfinden, wie das in mein Zimmer gelangt ist. Darf ich dabei sein, wenn du mit Ah-Ho sprichst? Vielleicht könnten wir jetzt nach ihr schicken.«
Wiederum konnte er sein Zögern kaum verbergen, doch sie beharrte darauf. »Schließlich ist das üble Ding unter meiner Tür hindurchgekrochen. Wenn ich mich beruhigen soll, dann bitte ich um das Recht, selber darüber urteilen zu dürfen, was sie sagen wird.«
Augenblicke später stand Ah-Ho steif vor Ben, nachdem sie sich gerade so tief verbeugt hatte, wie es nötig war. Er saß an seinem Schreibtisch, während Li sich wieder aufs Sofa gesetzt hatte. Die Ober-Amah würdigte die Karte auf dem Schreibtisch kaum eines Blickes, begegnete aber auch seinem Blick nicht, als sie gefragt wurde, wie so etwas innerhalb des Hauses ohne ihr Wissen überbracht werden konnte. Ihre Antworten auf seine Fragen waren angemessen respektvoll, brachten ihm aber gar nichts: Sie konnte nicht sagen, wie dies passiert sein konnte, und würde dem sofort auf den Grund gehen.
»Sie leiten seit vielen Jahren meinen Haushalt und haben stets mein Vertrauen genossen.« Bens Stimme war fest, aber fair, ohne eine Spur von Anklage. »Dass Sie sich dadurch Vorteile verschaffen, ist mir bewusst, und ich betrachte das als gerechte Belohnung für ein gut und ordentlich geführtes Haus.«
Er hielt den Talisman hoch, damit sie ihn sich ansehen konnte. »Das hier bedeutet für alle in Sky House Unglück. Wenn es von draußen kam, dann trifft die Leibwächter die Schuld. Wenn es von drinnen kam, dann sind Sie dafür verantwortlich, dass Sie einem Verbrecher Unterschlupf gewähren.« Er warf die Karte wieder auf den Schreibtisch und erhob sich.
»Ich erwarte von Ihnen, dass Sie herausbekommen, wer das hier unter Miss Lis Tür hindurchgeschoben hat. Wird sie bedroht, so werde ich es auch. Sie werden Ihren Untergebenen erklären, dass es für Neujahr nur dann lai-see geben wird, wenn ich den Namen dieses wertlosen Idioten erfahre. Sollte dergleichen noch einmal passieren, werde ich Sie dafür verantwortlich machen und die Polizei informieren. Wer immer dafür die Verantwortung trägt, wird an den Pranger gestellt und eingesperrt. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Ah-Ho verbeugte sich und entfernte sich auf Bens Winken hin rasch und stumm. Li fragte sich, ob er mitbekommen hatte, dass die Amah kein einziges Mal von ihr Notiz genommen hatte.
15. KAPITEL
Eine Drossel in der Takelage
Li-Xia und Ben Devereaux wurden an Bord der Golden Sky getraut, die in der Formosastraße bei Pagoda Anchorage vertäut war. Die Zeremonie wurde von Kapitän da Silva ausgeführt, und der Himmel bildete die Gewölbedecke und ein ruhiges, jadegrünes Meer den Kathedralenboden.
Winifred Bramble diente als Brautführerin, und Wang war dabei, um dem Bräutigam die Braut zu übergeben. Die einzige andere Zeugin war Fisch, die dann mitsamt der Stammmannschaft zu einem einwöchigen Urlaub an Land geschickt wurde. Später an diesem Abend verließ auch Indie das Schiff auf dem
Weitere Kostenlose Bücher