Die Tochter der Konkubine
schienen und deren berühmte Buddha-Ohrläppchen verschrumpelt und gar nicht mehr göttergleich wirkten. Seine Augen spähten durch eine kleine runde Brille, als würde er nach Geistern Ausschau halten, ohne auch nur den Hauch seiner früheren plumpen Energie und seines Stolzes. Seltsamerweise fühlte Li weder Mitleid noch Triumph. Wenn überhaupt etwas ihren Seelenfrieden störte, so war es die völlige Abwesenheit jeglichen Gefühls. Was es ihr jedoch erleichterte zu sagen, was sie zu sagen hatte.
Wie Ah-Jeh erkannte auch Yik-Munn die junge Frau vor sich
nicht wieder und wusste nur, das sie als Vertreterin einer Handelsgesellschaft aus Macao angekündigt worden war, die mit ihm dringend über Geschäftliches zu sprechen wünschte. Für einen Comprador war sie ungewöhnlich jung und angenehm anzuschauen. Größer als die meisten und in einem eleganten Cheongsam aus türkisblauer Seide wohlgeformt, trug sie einen Fächer aus Elfenbein, und der geschlossene Sonnenschirm, der neben ihr abgelegt worden war, passte zu der Iris in ihrem Haar. Eine Welle der Begierde angesichts dieser leicht parfümierten Vision machte Yik-Munn seine fortgeschrittenen Jahre schmerzlich bewusst.
Li betrachtete ihren Vater wie einen vergessenen Fremden. »Ich erwarte nicht, dass du mich erkennst. Ich bin deine Tochter, die, die du Li-Xia, die Schöne, genannt hast, die Tochter Pai-Lings.« Sie wartete nicht ab, dass seinem ungläubigem Blick kurzsichtiges Erkennen folgte oder er mühsam Worte krächzte, die sie nicht hören wollte. Nur seinen prächtigen Zähnen hatte die Zeit nichts anhaben können, doch während sie ihre künstliche Form und Größe behalten hatten, war das bei seinem Mund nicht der Fall. Es war schwer zu sagen, ob seine Grimasse durch Erstaunen oder Schmerz ausgelöst wurde.
»Ich bin hier, um dir zu sagen, was du tun musst, um das Gesicht zu wahren oder andernfalls den Namen Yik-Munn auf ewig zu verfluchen. Ich komme weder mit Hass oder Rachegedanken noch trachte ich nach etwas, das über mein Recht als Tochter eines hochrespektierten Mannes und eines Mitglieds einer ehrenwerten Familie hinausgeht.« Yik-Munn konnte weder lächeln noch höhnen, seine wässrigen Augen blickten so furchtsam, als wäre die Fuchsfee schließlich doch noch zurückgekehrt, um ihn zu bestrafen.
»Ich schlage vor, du hörst mir zu und kommst meinen Wünschen dann unverzüglich nach. Du stellst eine Sänfte zur Verfügung, die mich zum Ingwerfeld bringt. Du bringst mich zum Grab meiner Mutter und schwörst bei allen Göttern, dass sie wirklich dort liegt. Du veranlasst, dass deine Söhne von den besten Kunsthandwerkern Steine besorgen, und lässt über ihrer Ruhestatt eine Grabstätte
errichten, ohne dass ihre Überreste dadurch gestört werden. Auf den Eingang aus Hunan-Marmor lässt du sowohl auf Chinesisch als auch auf Englisch Folgendes eingravieren.«
Sie reichte ihm einen Zettel, nach dem er mit zitternder Hand griff, um dann nach seiner Brille zu tasten.
Dies ist die Ruhestätte der großen Gelehrten Pai-Ling.
Sie lebt im Herzen ihrer Tochter, der Gelehrten Li-Xia,
und kann Hand in Hand mit ihrer Schwester, der Mondfrau,
gesichtet werden.
»Wenn die Grabstätte fertig ist, bestellst du Priester aus dem Tempel her. Sie werden Gongs und Trompeten mitbringen, eine Fülle von Opfern und viele teure Räucherstäbchen. Du wirst ein großes Spanferkel bereitstellen und viele Gerichte aus frischen Früchten. Du wirst eine Papiervilla verbrennen, ein Auto, viele Diener und eine Schubkarre voller Papiergeld. Am Grab meiner Mutter im Ingwerfeld wird ein Trauergottesdienst abgehalten, und zum Schutz der heiligen Stätte wird ein in Stein verankertes Geländer darum herumgebaut. Auf einer Gedenktafel aus feinstem Elfenbein wirst du ihren Familiennamen eingravieren lassen und mir diese in aller Form überreichen.«
Selbst jetzt hatte Yik-Munn seine Gerissenheit nicht ganz verlassen. Sie zeigte sich für einen Augenblick in seinen schwach werdenden Augen und straften sein herzzerreißendes Wimmern Lügen. »Wenn ich die genaue Stelle vergessen habe und deine Brüder nicht bereit sind - wenn ich solche Kunsthandwerker nicht auftreiben kann, wenn die Priester sich weigern, solch einen Gottesdienst abzuhalten -, was wirst du dann zur Strafe tun?«
Li überhörte die Frage. »Dann wirst du bezahlen, was auch immer es kostet, damit das alles so schnell vonstatten geht, wie du es einst für Goo-Mah hinbekommen hast. Danach wirst du die Familie
Weitere Kostenlose Bücher