Die Tochter der Konkubine
Ausbildung, der ihn zu einem gefährlichen Verrückten macht. Er war derjenige, den ich im Kampf auf Leben und Tod besiegt habe.«
Ben bedachte seine Worte genau, ehe er fortfuhr. »Chiang-Wah hat versucht, die Golden Sky vor ihrem Stapellauf in Brand zu setzen. Wieder stand mir das Glück zur Seite: Ich habe ihn erwischt, ehe es zu spät war … aber er ist mit ernsthaften Verbrennungen
daraus hervorgegangen, durch den brennenden Teer grässlich verstümmelt.
Ich hege keinen Zweifel daran, dass er dies im Auftrag eines meiner Rivalen getan hat. Die Klipper von Double Dragon erwiesen sich gerade als ihre größte Konkurrenz im Flusshandel. Zudem ist wohlbekannt, dass ich einer der Gründerväter des Ausschusses gegen den Opiumschmuggel bin, was mich zu einer Bedrohung für diejenigen macht, die sich durch die Profite im Opiumhandel eine goldene Nase verdienen. Aber J. T. Ching und ich hatten eine persönliche Abmachung getroffen, die inzwischen über ein Jahrzehnt Bestand hat.«
»Wieso wird mir dieses Ding dann geschickt?«
»Weil Chiang auf seine Ehre als Tempelboxer Rache geschworen hat. Bei den Geheimbünden hat er das Gesicht vollkommen verloren, und zwar nicht aufgrund dessen, was er auf der Werft von Double Dragon zu tun versuchte, sondern weil er versagt hat, was Schande über seine Brüder brachte. Er verschwand, und man ging davon aus, er sei nach China zurückgekehrt. Schon Dutzend Male gab es Gerüchte über seinen Tod im Kampf.
Das alles ist zehn Jahre her und hat mir bis zu diesem Augenblick nie Sorgen bereitet. Bis jetzt war das Einzige, was Chiang mir an Unersetzlichem nehmen konnte, mein Leben, was, das wusste er, nicht einfach sein würde. Doch nun gibt es dich.«
Er fuhr fort, machte einen behutsamen Versuch, den Ernst der Lage herunterzuspielen, die Li zunehmend Unbehagen bereitete. »Das ist eine Sache, um die ich mich schnell kümmern kann. Wenn ich es recht bedenke, bezweifle ich stark, dass Chiang dahintersteckt oder dass er auch nur am Leben ist. Es ist ein alberner Versuch, dir Angst einzujagen. Ich bitte dich, ihn zu igorieren und das Ganze mir zu überlassen.«
Wieder half Li ihm auf die Sprünge, fast sanft. »Das Loch in dem Talisman. Was bedeutet es?« Als er einmal mehr zögerte, sprach sie mit ruhiger Bedachtsamkeit. »Meine Familie in Zehn Weiden hat einen Wahlspruch: ›Versteck dich vor nichts und lauf vor niemandem
weg.‹ Diesen Wahlspruch würde ich jetzt nicht verraten wollen.«
»Säure …«, sagte er schließlich mit einer Stimme, die sie nicht wiedererkannte. »Das Loch in dem Talisman ist durch einen einzigen Tropfen Schwefelsäure entstanden.« Li erhob sich vom Sofa, nahm den Talisman ungläubig auf und roch sorgfältig daran. Er roch nach Essig und Mandeln. Sie warf ihn zurück auf den Tisch.
»Ich habe keine Angst. Seit meiner Geburt lebe ich unter ständiger Bedrohung durch Gewalt und Schmerz. Vielleicht ist sie mir hierher gefolgt.«
Sie sprach nüchtern und ruhig. »Ich bin mir der schwarzen Gesellschaft bewusst; sie ist überall, und das war sie immer schon. An keiner Straßenecke kann eine Melone verkauft werden, keine Laterne in einem Fan-Tan-Haus angezündet werden, keine Pfeife auf einem Diwan geraucht und kein Gebäude hochgezogen werden, ohne von der Hand eines Geheimbundes berührt zu werden. Hab also bitte keine Angst, es mir zu sagen.«
Unfähig, ihr in die Augen zu blicken, erhob Ben sich abrupt und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. Schließlich sprach er mit einer Stimme, die sie kaum wiedererkannte.
»Diese Verbrecher drohen gern damit, jemanden mit Säure zu entstellen. Keine Geheimgesellschaft, die ihren Namen wert ist, würde sich zu einer solchen Feigheit herablassen - aber für jene, die sich wie Ratten verstecken, ist es so billig und einfach, wie es widerwärtig ist.« Er drehte sich zum Kamin, langte nach einem Schürhaken und stieß ein glimmendes Holzscheit in einen Geysir aus Funken, bis Feuer aufloderte. »Manchmal wird die Säure in die leere Schale eines Enteneis gespritzt und das Loch wieder versiegelt … eine Säurebombe, die man leicht ins Gesicht eines Opfers werfen kann.« Er hielt inne, die Hände auf dem Kaminsims, und starrte stumm in die Flammen.
Sie hob die Stimme, verbannte derlei Gedanken mit einer fröhlicheren Stimme. »Das Haus, das du auf Hongkong Island baust, hat es hohe Mauern und ein Tor? Wird es so sicher gebaut wie Sky House?«
Überrascht von Lis beherrschter Reaktion, nickte Ben. »Ja«,
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