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Die Tochter der Konkubine

Die Tochter der Konkubine

Titel: Die Tochter der Konkubine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pai Kit Fai
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Haus verlässt. Ich habe nichts getan, um etwas so Schreckliches zu verdienen. Habe ich dich nicht immer gut behandelt?«
    »Ich bin heute Abend schon genug beleidigt worden«, erwiderte Sing. »Belassen wir es dabei.« Ihr wurde ganz übel bei dem Gedanken, dass sie Toby für immer verloren haben könnte.
    Früh am nächsten Morgen, nach einer schlaflosen Nacht, in der sie und Rubin beratschlagt hatten, was sie tun könnten, eine Möglichkeit war gefährlicher als die andere, wurde Sing in das abgedunkelte Büro von Drei-Daumen-Poon zitiert. Zu ihrer Freude und Erleichterung saß Toby dem im Schatten sitzenden Poon am Schreibtisch gegenüber, der mit unsteten Händen einen Brief ins Lampenlicht hielt.
    Bei ihrem Eintreten erhob sich Toby, gab ihr mit einem Lächeln, das ihr sagte, dass er alles verstanden hatte, die Hand. »Guten Morgen, Miss Devereaux. Ich habe mit unserem Freund hier, Mr. Poon, mein Anliegen besprochen. Wir haben Ihren Namen in den Akten über vermisste Personen entdeckt. Ich habe Mr. Poon darum gebeten, Sie aus seinem Dienst zu entlassen und in meine Obhut zu übergeben. Freundlicherweise hat er sich dazu bereit erklärt.«
    Er blickte zu dem beklommen wirkenden Drei-Daumen-Poon hinunter. »Es sei denn, natürlich, Mr. Poon würde lieber eine Beschwerde wegen Entfernung einer seiner Angestellten einreichen? Das hieße, er müsste uns auf die Dienststelle begleiten und seine Anstellungsmethoden und Einzelheiten über seinen Betrieb darlegen und ein Verzeichnis sämtlicher Beschäftigter und natürlich die Akten über seine Steuereinkünfte der letzten sieben Jahre vorlegen … eine Tortur, die er sicher für unnötig hält.«
    Sing unterdrückte ihre Freude. Ihr tat der Mann mit den Glücksdaumen beinahe schon leid. »Mr. Poon ist ein großzügiger und
gerechter Arbeitgeber gewesen. Wenn er mir netterweise das Geld ausbezahlt, das er mir noch für meine Dienste schuldet, werden Rubin und ich ihn nicht weiter behelligen.«

    Eine Stunde darauf hatten sie nach einer Taxifahrt zum Fährhafen bereits die halbe Strecke vom Victoria Harbor nach Kowloon zurückgelegt. Rubin behielt in dem überfüllten Salon die Taschen im Auge, während Sing Toby an der Hand nahm und ihn aufs offene Deck und nach vorn zum Bug führte.
    »Bitte verzeih mir die Unannehmlichkeiten des gestrigen Abends. Ich weiß gar nicht, wie ich dir dafür danken soll, dass du uns hilfst.« Sie blickte zu ihm auf. Seine blonden Haare wurden von den Seitenwinden erfasst. »Du hast mich gar nicht gefragt, wer er ist oder wieso er mich bedroht.«
    »Du wirst es mir erzählen, wenn es so weit ist.« Er sah über das unruhige, olivgrüne Wasser, das vom Hafenverkehr und dem Luftzug in der Mitte des Stromes aufgewühlt wurde. »Unterdessen ist es mir ein Vergnügen, mich nützlich zu machen. Ich bringe euch an einen Platz, an dem ihr ein paar Tage in Sicherheit seid, während wir unseren Erkundigungen nachgehen.«
    Die Fähre stampfte im schäumenden Kielwasser eines größeren Schiffes, so dass sie gegen Toby geschleudert wurde, und einen Augenblick hielt er sie fest in seinen Armen. Der Moment verging viel zu schnell.
    »Leute seiner Sorte sind mir nicht unbekannt«, sagte er, »und Jack Teegarden Ching genauso wenig. Sie sind Erpresser und Vollstrecker, sie werden von den eigenen Leuten gefürchtet, von meinen jedoch nicht. Problemen mit der britischen Regierung gehen sie aus dem Weg. J. T. Ching ist zu schlau, um wegen einer persönlichen Angelegenheit Sanktionen zu riskieren. Mit allen Wassern gewaschen. Wir vermuten, dass er Beziehungen zum organisierten Verbrechen in Japan hat. Glaub mir, J. T. Ching steht schon seit langem unter genauer Beobachtung.«
    Der Wind frischte auf. Toby legte ihr sein Jackett über die Schultern.
»Willst du nicht lieber zu Rubin hineingehen, wo es wärmer ist?«
    Sing schüttelte den Kopf. »Ich habe gelernt, auf einem Schiff mit zu vielen Menschen einen Platz für mich zu finden. Man geht so weit auf den Bug hinaus, wie man kann, und der ganze Lärm und das ganze Gedrängel liegen hinter einem. Hier kann man den Wind im Gesicht spüren und mit etwas Glück Delfine sehen. Alles breitet sich vor einem aus. Nichts liegt verborgen. Es ist stets der beste Platz.«
    Sie standen Seite an Seite, hielten sich an der Reling fest, und der Wind fuhr ihnen durchs Haar. »Ich glaube, vielleicht liebe ich Flüsse und Boote, Schiffe und das Meer mehr als alles andere, weil mein Vater Kapitän ist und meine Mutter Comprador

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