Die Tochter der Konkubine
doch, was so jemand wie du in den Straßen von Wan-Chai verloren hat.«
Sichtlich erfreut über ihr Bild von ihm, zeigte er keinerlei Verärgerung über ihre Unverschämtheit. »In den Straßen hier gibt es nichts, was dem Gelben Drachen nicht bekannt wäre. Der fette Narr mit den Glücksdaumen muss über seine Beschäftigten Bericht erstatten. Es schien ein seltsamer Zufall zu sein. Und so dachte ich mir, schaust du dir Nummer Zwölf doch mal selber an. Niemand außer Kleiner Stern hat die Augen eines Geistes.«
Er ließ die Augen über sie wandern, mit demselben starren Blick wie yan-jing-shi . Durch sein unangenehmes Grinsen entblößte er
unregelmäßige Zähne, die nun allerdings sauberer waren, als Sing sie in Erinnerung hatte.
Obwohl Sing Galle in ihrer Kehle schmecken konnte, blieb ihre Miene ausdruckslos.
Ah-Keungs Siegelring und Armbanduhr blitzten auf, als er der Bar ein Zeichen gab. Nummer Fünf kam sofort zu ihnen. »Brandy, den besten, den der alte Geldsack unter dem Tresen versteckt hält. Das hier ist keine gewöhnliche Bardame. Ein erstklassiges Juwel wie sie trinkt keinen kalten Tee oder Coca-Cola.«
Nummer Fünf blickte Sing mit bangem Blick an. »Ingwertee, bitte. Brandy rühre ich nicht an.«
»Wir haben einander so viel zu sagen, du und ich. Hast du etwa gedacht, ich würde den Kleinen Stern bei dem Bankett für den ausländischen bing nicht erkennen? Hast du mich für so dumm gehalten, dass ich unser Geheimnis gelüftet hätte?« Er lachte rau, und sein ausgestreckter Fuß wippte etwas schneller. Als Nummer Fünf den Brandy und den Tee servierte, hielt er inne.
»Hasse mich nicht, Kleiner Stern. Habe ich für dich denn nicht ein Dach gefunden, unter dem du schlafen kannst?« Er prustete vor Lachen. »War es etwa meine Schuld, dass du dem Herrscher über die Würste nicht gefallen hast?«
»Du hast mich als leibeigene Dienerin verkauft, dabei habe ich dir vertraut!«
Er zuckte die Achseln. »Es war ein Geschäft. Ich habe deine Reisschale gefüllt, und ich musste meine füllen. Hättest du denn eine Bleibe für dich finden können, wenn ich es nicht getan hätte? Auf den Straßen Macaos hätte dir viel Schlimmeres zustoßen können als das schwache Fleisch des fetten Fan.«
Er langte über den Tisch und legte seine Hand auf ihre. »Außerdem wusste ich doch, dass du eine Möglichkeit finden würdest, von dort fortzukommen. Da habe ich Vertrauen in den Roten Lotus.«
Sein Lächeln erstarb, als sie ihre Hand bei seiner Berührung wegzog. Er schluckte seine Wut hinunter, füllte ihre Tasse, lehnte sich zurück und ließ den Brandy unter seiner Nase kreisen.
»Um die letzte Schülerin des Großmeisters To-Tze hatte ich keine Angst. Eine Kriegerin wie du wird mit Fan-Lu-Wei und seinen fetten Amahs doch wohl allemal fertig, oder? Hast du dich nicht selbst dazu entschieden, in der Taverne der herabstürzenden Juwelen Pfeifenmacherin zu werden, und bist die Favoritin der Goldenen persönlich geworden? Und hast du von der japanischen mama-san nicht viele wertvolle Dinge gelernt?«
Er hob sein Glas zu einem gespielten Trinkspruch. »Du warst die Auserwählte von J. T. Ching, einem der reichsten Männer auf dem Goldenen Hügel … du, der Rote Lotus vom Felsen großer Stärke. Lass uns auf den Ort klaren Wassers anstoßen, wo die Alten ihren Frieden gefunden haben.« Mit einem süffisanten Lächeln trank er seinen Brandy aus, erhob sich und bot ihr seine Hand. »Aber jetzt komm - das ist nicht der richtige Ort, um solche Dinge zu besprechen. Lass uns hochgehen, wo wir uns in Ruhe unterhalten können.«.
Sing blickte an seiner Hand vorbei. »Ich gehe nicht mit dir hoch. Ich suche mir aus, mit wem ich rede. Und nicht andersherum.«
Sein Gesicht verfärbte sich sichtlich. »Das wirst du wohl müssen, wenn du nicht willst, dass ich einem äußerst wütenden Taipan, der dich unbedingt finden will, von dir berichte.«
Er zog seine Hand zurück und betrachtete sie verächtlich von Kopf bis Fuß. »Meister To hat sich die falsche Schülerin ausgesucht. Du bist doch eindeutig eine Hure und keine Kriegerin. Es wird Zeit, dass ich beweise, dass das stimmt!«
Als Sing ihm den Inhalt ihrer Teetasse ins Gesicht schüttete, drehten die anderen Gäste sich zu ihnen um, und Nummer Fünf drückte den Alarmknopf an ihrem Platz hinter der Bar. Das Gesicht des Energischen lief dunkelrot an.
»Quiekende Schweine und schlafende Drachen haben der Geisteshaltung des Kleinen Sterns also nichts anhaben können.«
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