Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
fragte sich, ob Vera vielleicht ein längeres Gespräch mit Arla geführt hatte oder ob man es ihr so deutlich ansah – aber ihr wurde tatsächlich schon wieder ein wenig flau im Magen. So schnell sie es auf den immer heftiger schaukelnden Decksplanken konnte, ging sie wieder zu dem Weidenkörbchen hin und setzte sich mit angezogenen Knien daneben. Nachdem sie den Rücken gegen die niedrige Schanzwand presste, schien es ein bisschen besser zu werden; aber nicht viel.
Vera folgte ihr und nahm uneingeladen auf der anderen Seite des Körbchens Platz, und Dwegr sprang von ihrer Schulter und verschwand wie der Blitz in der komplizierten Takelage des einzelnen Mastes.
»Wie kommst es, dass du nicht seefest bist?«, erkundigte sie sich. Dann lachte sie. »Dabei kann man das hier nun wirklich keinen Seegang nennen. Der Rhein ist ein sehr gutmütiger Fluss. Ich habe mich immer gefragt, woher dein Volk den Mut nimmt, in diesen winzigen Schiffen auf das Meer hinauszufahren. Wie kommt es, dass dir so leicht übel wird?«
»Mir ist nicht übel«, behauptete Katharina.
»Dann hat dein Gesicht immer diese hübsche grüne Farbe?«, erkundigte sich Vera.
»Es wird gleich besser«, mischte sich Guthenfels ein. »Sobald wir das Schiff ganz in die Strömung gedreht haben.«
Im ersten Augenblick dachte Katharina, Guthenfels hätte sie belauscht, aber dann wurde ihr klar, dass das gar nicht nötig war. Dass Schiff war so klein, dass man ohnehin überall jedes Wort hören konnte.
»Also, was tust du, wenn du wirklich auf hoher See bist?«, beharrte Vera.
»Das war ich noch nie«, antwortete Katharina widerwillig. »Und ich werde es auch ganz bestimmt nie sein.«
»Ein Wikingermädchen, das noch nie an Bord eines Schiffes war?«, wunderte sich die Gauklerin. »Und ich dachte, ihr kommt mit Schwimmhäuten und Kiemen auf die Welt.«
Hätte sie nicht mit aller Macht dagegen angekämpft, hätte sie über diese Worte herzhaft lachen müssen. So schüttelte sie nur den Kopf und starrte demonstrativ an Vera vorbei ins Leere.
»Du bist nicht sehr redselig, wie?«, fuhr die Gauklerin fort.
»Du dafür um so mehr«, erwiderte Katharina in bewusst unfreundlichem Ton – aber das schien Vera wenig zu beeindrucken.
Sie nickte nur. »Was ist gegen ein bisschen Unterhaltung zu sagen?«, fragte sie. »Wir haben eine lange Fahrt vor uns. Willst du sie damit zubringen, Löcher in die Planken zu starren? Das wäre nicht gut. Ich habe nämlich keine große Lust, zum Ufer zurückzuschwimmen, Du vielleicht?«
»Ich kann nicht schwimmen.«
»Du kannst nicht –?« Vera riß erstaunt die Augen auf. »Ein Wikingermädchenn, das seekrank wird und nicht schwimmen kann? Das wird ja immer verrückter!«
»Ich bin kein Wikingermädchen«, antwortete Katharina. »Jedenfalls … nicht richtig.«
»Aber Erik ist dein Großvater?«, fragte die Gauklerin, die langsam immer verwirrter aussah. »Und Arla ist deine Tante?«
»Hm«, machte Katharina.
»›Hm‹ ist keine befriedigende Antwort«, erwiderte Vera.« Auch wenn ich gestehen muss, dass ich es dann und wann selbst benutze.«
»Es ist … kompliziert«, antwortete Katharina ausweichend.
»Wir haben Zeit«, sagte Vera. »Also, ich jedenfalls habe für den Rest des Tags nichts weiter vor. Du vielleicht?«
»Für den Rest des Tages«, ächzte Katharina. »Wie lange … ich meine, wohin fahren wir denn?«
»Zuerst einmal bis zur Feste Zons«, antwortete Guthenfels an Veras Stelle. Er hatte auch jetzt wieder jedes Wort gehört und war sogar näher gekommen, ohne dass Katharina es gemerkt hatte. »Von da aus geht es zu Pferd weiter, für einen Tag, Vielleicht auch zwei.«
»Zons?«, ächzte Vera. »Aber das dauert zwei Tage, mit dieser Nussschale!«
»Wenn der Wind nachlässt, vielleicht sogar länger«, bestätigte der Adlige ungerührt. »Aber du hast es ja gerade selbst gesagt: Wir haben im Moment nichts Besseres vor.« Er ließ sich vor ihnen in die Hocke sinken, stützte die Unterarme auf denKnien auf und ließ die Hände baumeln und sah zuerst Vera, dann Katharina deutlich länger und nachdenklicher an.
»So oder so, wir haben viel Zeit, mein Kind«, sagte er. »Und ich bin genauso neugierig wie deine Freundin. Dein Großvater hat mir das eine oder andere über dich erzählt, aber längst nicht alles, und ich bin ein neugieriger Mann. Warum erzählst du uns nicht den Rest der Geschichte?«
Katharina war sich nicht sicher, ob sie das wollte. Baron zu Guthenfels war ein Freund ihres
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