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Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga

Titel: Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Werdandi war ihr lang vorgekommen, die Fahrt in umgekehrter Richtung und auf dem viel schwerfälligeren und langsameren Segler erschien ihr buchstäblich endlos.
    Vera hatte es irgendwann aufgegeben, ihr ein Gespräch aufzwingen zu wollen, und hatte sich unter die Männer gemischt. Mit ihnen ins Gespräch zu kommen schien ihr nicht sonderlich schwerzufallen, und schon nach kurzem hallte das Deck wider von ihrem lauten Lachen und der einen oder anderen anzüglichen Bemerkung der Männer. Einen Moment lang fragte sie sich ernsthaft, warum sie nicht einfach aufstand und zu ihr ging und sich bei ihr entschuldigte, aber zumindest dieses Mal noch obsiegte ihr Trotz, und sie erbarmte sich stattdessen endlich den beiden Katern und öffnete das Körbchen, um sie aus ihrem Gefängnis zu befreien.
    Es half nicht allzu viel. Hugin und Munin beschwerten sich nicht nur mit lautstarkem Piepsen darüber, so lange in dem düsteren Korb eingesperrt gewesen zu sein, sondern straften sie darüber hinaus mit Verachtung und verschwanden augenblicklich, um ihre neue Umgebung zu erkunden. So bestritt Katharina den Rest dieses endlosen Tages mehr oder weniger damit, auf das Verstreichen genau dieses Tages zu warten.
    Die darauffolgende Nacht war auch nicht viel besser. Sie fuhren bis lange nach Sonnenuntergang, und ihre Hoffnung, wenigstens auf einem Untergrund schlafen zu können, der nicht beständig hin und her schaukelte, erfüllte sich nicht. Als esschließlich endgültig zu dunkel wurde, um noch weiter zu fahren, legte das Schiff an einer seichten Stelle am Ufer an, aber niemand machte Anstalten, es zu verlassen.
    Als Katharina am nächsten Morgen erwachte, unausgeschlafen und mit schmerzendem Rücken von der unbequemen Haltung, waren sie schon wieder unterwegs.
    Dieser Tag kam ihr noch länger vor, und das Schiff schien noch langsamer von der Stelle zu kommen, obwohl der Wind gegen Mittag drehte, sodass sie nicht mehr mühsam dagegen kreuzen mussten, sondern spürbar an Tempo zulegten. Dennoch war es ihr, als bewege sich das Ufer wie durch einen geheimnisvollen Zauber im gleichen Maße neben ihnen, wie sie durch die schmutzigen Wellen pflügten.
    Erst spät am Nachmittag begann ihr ihre Umgebung allmählich wieder vertraut vorzukommen.
    Sie hatte ihre Heimat nie vom Fluss aus gesehen, weil sie es zeit ihres Lebens vermieden hatte, auch nur einen Fuß auf ein Schiff zu setzen, aber das eine oder andere glaubte sie nun trotz der unbekannten Perspektive zu erkennen: den großen Baum, unter dessen Wurzeln sie im vergangenen Jahr eine Handvoll köstlicher Trüffeln gefunden hatte, die flache Stelle, an der die älteren Jungen manchmal bis zu den Hüften ins Wasser gewatet waren, um ihre Schnüre auszuwerfen, und schließlich die felsige Klippe, wo sie Ansgar zum ersten Mal getroffen hatte.
    Der Anblick war verwirrend, denn die Dinge sahen von hier aus betrachtet vollkommen anders aus, als sie sie in Erinnerung hatte, hatten zugleich aber etwas auf beinahe unheimliche Art Vertrautes und dabei Unangenehmes. Mit diesem Ort – vor allem den letzten Stunden, die sie hier verbracht hatte – waren zu viele schlimme Erinnerungen verbunden, als dass sie sich wirklich freute, ihn wiederzusehen. Trotzdem stand sie nach einer Weile auf und trat an die niedrige Schanzwand auf der anderenSeite des Schiffes heran, um einen besseren Blick auf das Ufer zu haben.
    Dann sah sie Ellsbusch selbst – oder das, was noch davon übrig war.
    Das Erste, was auf der Böschung in der Ferne auftauchte, war Vater Cedrics kleine Kirche. Die steinernen Wände standen noch, dass Dach jedoch war samt des schweren Gebälks einfach verschwunden, und die stehengebliebenen Mauerreste waren rußgeschwärzt. Ein leichter Dunst lag über dem Ufer, sicherlich nichts als Nebel oder vielleicht Staub, den der Wind oder irgendwelche Tiere aufgewirbelt hatten, aber ihre Fantasie und ihre Erinnerungen machten den Rauch eines verzehrenden Feuers daraus, und aus dem leisen Knallen des Segels über ihrem Kopf und den murmelnden Stimmen der Männer ringsum das Krachen zusammenstürzender Wände und die Schreie der Sterbenden. Ihr Herz begann schneller zu schlagen.
    Sie spürte, wie jemand neben sie trat, aber sie sah nicht hin, denn es war ihr unmöglich, ihren Blick von dem unheimlichen Bild loszureißen. So weit, wie sie vom Ufer entfernt waren, hätte sie von hier aus ohnehin nur die Dachspitzen sehen können, vielleicht den einen oder anderen Kamin, aber da war rein gar nichts. Nur

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