Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
was mir zusteht, aber niemals mehr als das. Das Leben ist hart, mein Kind. Du musst dir nehmen, was dir zusteht. Wenn du darauf wartest, dass man es dir freiwillig gibt, oder gar glaubst, du würdest fair behandelt, dann wirst du ein bitteres Erwachen erleben.«
Damit hatte sie vermutlich sogar Recht, dachte Katharina, aber ihr war im Moment ganz und gar nicht nach dieser Art von Gespräch. Sie antwortete nicht, sondern sah scheinbar interessiert zu, wie der Matrose genauso unelegant wieder am Mast herunterkletterte, wie er ihn erklommen hatte, was ihm viel lautes und schadenfrohes Gelächter der anderen einbrachte. Mit einem Blick auf das Äffchen, der jeden Scheit loderndes Kaminholz auf der Stelle in einen Eisblock verwandelt hätte, ging er an ihnen vorbei zum Heck des plumpen Seglers. Katharina sah ihm kopfschüttelnd nach, und das amüsierte Lächeln gefror auf ihren Lippen.
Ohne dass es ihr aufgefallen war, hatte das Schiff inzwischen die Flussmitte erreicht und damit begonnen, mit seinem dreieckigen Segel erstaunlich schnell gegen Wind und Strömung zu kreuzen. Sie hatten sich schon ein gehöriges Stück von der Flussbiegung entfernt, hinter der Bjarnisund lag, und sie hätte erwartet, den Fluss vollkommen leer hinter sich zu erblicken; was schlimm genug gewesen wäre.
Viel schlimmer aber war der Anblick der drei schlanken Drachenboote, die mit gleichmäßig schlagenden Rudern und geblähten Segeln langsam in die Flussmitte hineinfuhren und nordwärts schwenkten, um dem vierten und plumperen Schiff zu folgen, das ihnen schon voraus gefahren war und als langsamstes des kleinen Konvois das Tempo vorgab.
Aber das war noch nicht alles. Noch während sie hinsah, begann zuerst grauer, dann schwarzer Rauch hinter der Flussbiegung in die Luft zu steigen; schwere, dräuende Wolken, die sich nur widerwillig zu erheben und für einen Moment sogar dem Wind zu trotzen schienen, bevor sie den aussichtslosen Kampf schließlich aufgaben und auf den Fluss hinaustrieben, um den davonrudernden Schiffen zu folgen. Und es wurde immer mehr und mehr.
»Was … geht da … vor?«, murmelte sie stockend.
»Das ist Bjarnisund«, sagte zu Guthenfels. »Es brennt.«
»Es brennt?!«, wiederholte sie erschrocken. »Aber was –?«
Guthenfels hob beruhigend die Hand. »Hat dein Großvater es dir nicht gesagt?«
»Was?«
»Dass sie die Stadt hinter sich anzünden.«
»Anzünden?«, wiederholte sie verständnislos. »Was soll das heißen? Das ist doch Unsinn! Warum sollten sie Bjarnisund in Brand setzen? Es ist ihre Heimat!«
»Weil sie es ernst meinen?«, schlug Vera vor.
»Aber das ist doch –«, begehrte Katharina auf, und Guthenfels unterbrach sie zum zweiten Mal mit einer ebenso ungeduldigen wie herrischen Geste; einer Handbewegung, die deutlich machte, dass er es nicht gewohnt war, seine Anordnungen zu widerholen, und es ihn auch nicht erfreute.
»Deine Freundin hat Recht«, sagte er. »Sie haben Bjarnisund angezündet, weil es kein Zurück mehr für sie gibt. Vielleicht wird das den einen oder anderen beruhigen, der sonst darauf gedrängt hätte, sie zu verfolgen … aber hauptsächlich wollte dein Großvater eurem Volk wohl zeigen, wie ernst es ihm mit seinem Entschluss ist, nehme ich an.«
Katharina hörte kaum hin. Sie starrte den schwarzen Rauch an und sah den langsam davonrudernden Schiffen nach, und sie spürte, wie ihr das Herz so schwer und hart wie ein Stein in der Brust wurde. Wahrscheinlich hatte Guthenfels Recht, und von Eriks Standpunkt aus ergab es vielleicht sogar einen Sinn, wortwörtlich alle Brücken hinter sich abzubrechen. Vielleicht brachte es sogar Wulfgar dazu, Ansgar gehen zu lassen, musste es ihm doch zeigen, wie bitter ernst es seinem Bruder damit war, seiner Drohung nicht nachzugeben.
Trotzdem spürte sie, wie ihr schon wieder heiße Tränen über die Wangen liefen, und dieses Mal versuchte sie gar nicht erst, sie zurückzuhalten, Sie konnte nur den Rauch sehen, nicht die heißen Flammen, die hinter der Flussbiegung tobten, und trotzdem meinte sie fast, den Schmerz zu spüren, mit dem sie sich in ihre Seele fraßen, denn das, was sie dort hinter der Flussbiegung verzehrten, das war nicht einfach nur eine Stadt hinter einerhölzernen Palisade. Dort hinten zerfielen ihr Leben und ihre Zukunft zu grauer Asche, die der Wind ergriff und auf den Fluss hinauswehte.
*
Genau wie Baron zu Guthenfels es vorausgesagt hatte, schien die Fahrt kein Ende zu nehmen. Die Reise rheinabwärts auf der
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