Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
Volkes, und es machte eigentlich keinen Unterschied. Nachdem die Schlacht – endlich – vorbei gewesen war, hatten Jorun und die wenigen Frauen, die es in Wulfgars Lager gab, damit begonnen, die Verwundeten zu versorgen, und zumindest ihnen war es vollkommen gleich gewesen, welche Kleidung und welches Wappen sie trugen. Katharina hatte nicht einmal darüber nachgedacht, ob sie ihnenhelfen sollte oder nicht, sondern es einfach getan, und schon bald war ihr klar geworden, dass es durchaus etwas Schlimmeres gab als den Anblick einer Schlacht: nämlich den eines Schlachtfeldes nach der Schlacht.
Katharina hatte nur die Toten gesehen, die sie an Land gebracht hatten, nicht die Ertrunkenen oder die, die in den Ruinen der Wulfiborg und auf der Sturmvogel verbrannt waren, aber selbst das waren Dutzende gewesen, und die Anzahl der Verwundeten war ungleich höher. Manche von denen, die sie versorgt und deren Wunden sie mehr schlecht als recht verbunden hatte, würden den nächsten Tag nicht mehr erleben, und von den anderen würden sich viel zu viele nie wieder ganz von den schrecklichen Wunden erholen, die sie davongetragen hatten.
Während sie sich das Blut von den Händen wusch, tastete ihr Blick traurig über das Wasser. Die vier Drachenboote, aus denen ihre kleine Flotte jetzt bestand, hatten in respektvollem Abstand zu der brennenden Burg am Ufer angelegt, und da sich der Wind immer wieder drehte, war eine kleine Mannschaft an Bord jedes Schiffes zurückgeblieben, die sorgsam darauf achtete, dass die fliegenden Funken die Takelage nicht im Nachhinein noch in Brand setzten. Eines von Guthenfels’ Schiffen war noch halbwegs intakt und nun ebenfalls von Wikingern bemannt ans Ufer der bewaldeten Insel gebracht worden; das andere war gesunken und blockierte verkohlt und halb auf der Seite liegend eine der beiden Zufahrten des natürlichen Hafens. Wenn man genau hinsah, konnte man eine Anzahl regloser Körper erkennen, die sich an dem Wrack oder im Gestrüpp am Ufer verfangen hatten. Katharina wartete darauf, bei diesem Anblick abermals zu erschrecken, aber das geschah nicht. Sie empfand allenfalls so etwas wie eine dumpfe Betäubung; als wäre ihre Fähigkeit, Schmerz und Entsetzen zu empfinden, einfach aufgebraucht.
»Kara?«
Sie identifizierte Joruns Stimme, sah aber nicht einmal zu ihr hoch, sondern wusch sich weiter die Hände, obwohl sie längst so sauber waren, wie es überhaupt nur ging. Jorun ließ ihr noch etwas Zeit, ehe sie mit sanfter Stimme fortfuhr:
»Erik verlangt nach dir. Du solltest ihn nicht zu lange warten lassen.«
Katharina stand auf, wischte sich die Hände an ihrem Kleid trocken und folgte Jorun ohne ein einziges Wort. Sie versuchte den Anblick all der Verletzten und Toten zu vermeiden, während sie der Dienerin folgte, aber was sie nicht konnte, war die Ohren vor dem allgemeinen Stöhnen und Wehklagen zu verschließen. Sie musste noch einmal daran denken, was Jorun gestern (als sie noch Edith hieß) über den Krieg und das Soldatendasein erzählt hatte. Schon da hatte sie es nicht verstanden, und jetzt begriff sie umso weniger, was auch nur irgendein Mensch auf der Welt daran faszinierend finden konnte.
Was ihr beinahe schon absurd vorkam, war das große Zelt, das Wulfgars Männer am Waldrand aufgeschlagen hatten und das gleich vier grimmig dreinblickende Krieger mit Schild und Speer bewachten. Im Innern war es halbdunkel und kalt, und ihre immer noch vom Feuerschein geblendeten Augen benötigten eine Weile, um sich umzustellen und sie nicht nur formlose Schemen und bedrohliche Schatten wahrnehmen zu lassen.
Erik wartete auf sie, genau wie Jorun es gesagt hatte, und auch Wulfgar war anwesend, saß aber als Einziger auf einem Schemel, statt zu stehen. Sie war nicht einmal überrascht, sowohl Guthenfels als auch Guy de Pardeville zu erblicken, umso mehr aber, beide relativ unversehrt und unbewaffnet, aber nicht einmal gefesselt zu sehen. Eriks Vertrauen in seine eigene Kraft und sein Schwert schien grenzenlos zu sein … oder Vera hatte Recht mit allem, was sie über Adlige und Herrscher gesagt hatte, und es gab so etwas wie einen kruden Ehrenkodex unterihnen, der den Gedanken an Widerstand in einer solchen Situation gar nicht erst aufkommen ließ.
»Kara, mein Kind«, begrüßte sie Erik. Wulfgar schwieg und sah sie nur mit seinem Lieblings-Gesichtsausdruck an, nämlich gar keinem.
»Geht es dir gut?«, fuhr Erik fort und sog dann erschrocken die Luft zwischen den Zähnen ein, als er
Weitere Kostenlose Bücher