Die Tochter Der Midgardschlange: Die Asgard-Saga
allen gelang es. Zwei Männer schätzten ihren Sprung falsch ein und stürzten ins Wasser, wo sie augenblicklich von ihren schweren Kettenhemden und Rüstungen in die Tiefe gezogen wurden. Ein dritter kam so unglücklich auf, dass Katharina hören konnte, wie sein Bein brach. Nur einen Augenblick später waren Wulfgars Krieger über ihm.
Und auch die, denen ihr Sprung besser gelang, bezahlten ihren Wagemut mit dem Leben. Wären ihnen weitere Soldaten gefolgt, hätten sie vielleicht sogar eine winzige Chance gehabt, die Mannschaft der Fenrir zu überrumpeln, doch die Verstärkung, auf die sie gezählt hatte, befand sich noch an Bord der Sturmvogel und entfernte sich mit jedem Atemzug weiter, und so waren sie es, die binnen eines einzigen Augenblickes den Schwertern und Speeren der Nordmänner zum Opfer fielen. Wulfgar selbst tötete der letzten Mann mit einem einzigen Axthieb, stieß den Leichnam über Bord und wedelte der davonfahrenden Sturmvogel herausfordernd mit seiner Axt hinterher.
Er schrie auch etwas, doch es waren Worte in seiner Muttersprache, die Katharina nicht verstand … und selbst wenn, hätte sie nicht hingehört. Alles um sie herum drehte sich. Ihr Herz raste so schnell, dass sie kaum noch Luft bekam, und sie musste sich wohl auf die Zunge gebissen haben, denn in ihrem Mund war plötzlich der Geschmack ihres eigenen Blutes. Die ganze Welt stand in Flammen, und alles, was sie hörte, waren die Schreie der Sterbenden und Verwundeten und das Klirren von Schwertern und unaufhörliche Sirren der Bogensehnen. Auch die beiden anderen Schiffe brannten inzwischen, von den Schützen am Ufer und an Deck der anderen Drachenboote ins Kreuzfeuer genommen, und immer mehr und mehr Männer schleuderten ihre Waffen davon und befreiten sich von ihren Kettenhemden und Rüstungen, um ins Wasser zu springen und auf diese Weise wenigstens das nackte Leben zu retten, aber Katharina glaubte nicht, dass es vielen gelingen würde.
Schaudernd wandte sie sich um und sah sich sofort mit dem nächsten Schrecken konfrontiert, denn auch das Schicksal der Sturmvogel schien besiegelt. Ihr eigener, verzweifelter Versuch, die überlegene Drakkar in einem selbstmörderischen Angriff zu rammen, wurde ihr nun zum Verhängnis. Das Schiff war viel zu schnell, um noch vor dem Ufer zum Stillstand zu kommen, und der verzweifelte Versuch der Mannschaft, den Kurs im letzten Moment noch zu ändern, machte die Katastrophe komplett. Unweit der brennenden Wulfiborg und in spitzem Winkel prallte die Sturmvogel gegen das Ufer, rutschte ein deutliches Stück weit hinauf und legte sich schwerfällig auf die Seite. Einen Moment lang sah es tatsächlich so aus, als wollte das gewaltige Schiff auf das Ufer kippen, wie ein Spielzeugboot, das ein zorniges Kind an Land geworfen hatte, dann richtete es sich, schwerfällig wie ein angeschossener Ochse und Trümmerstücke und brennendes Segelzeug in alle Richtungen schleudernd, wieder auf. Selbst über die große Entfernung hinweg war das Splittern von Holz zu hören, als der Rumpf unter der Belastung einfach in Stücke brach.
»Vorwärts!«, befahl Wulfgar. »Wir haben sie! Jetzt geben wir ihnen den Todesstoß!«
»Nein!«, schrie Katharina. »Nicht noch mehr! Ihr habt doch gewonnen! Was wollt ihr denn noch?« In ihrer Verzweiflung versuchte sie sogar, Wulfgar in dem Arm zu fallen, doch der Wikinger stieß sie mit einer so derben Bewegung fort, dass sie schon wieder fast gestürzt wäre, und fuhr sie an:
»Schweig, Kind! Das hier geht dich nichts an! Und wage es nie wieder, in einem solchen Ton mit mir zu reden, hast du das verstanden?«
Das hatte sie, aber sie setzte trotzdem zu einer wütenden Entgegnung an und hätte es auch getan, hätte ihr Erik nicht die Hand auf die Schulter gelegt und rasch den Kopf geschüttelt.
»Lass es gut sein, Kara«, sagte er. »Er hat Recht. Das hier hatnichts mit dir zu tun. Und es ist ohnehin zu spät. Was geschehen soll, das wird geschehen.«
Zornig schüttelte Katharina seine Hand ab und funkelte ihn an, aber Erik schüttelte nur noch einmal den Kopf, bedeutete Ansgar mit einem entsprechenden Blick, auf sie achtzugeben, und trat dann an die Seite seines Bruders.
»Aber das …, das darf nicht passieren!«, stammelte Katharina. »Das darf nicht sein! Sie müssen aufhören!«
»Es geschieht doch schon«, antwortete Ansgar traurig, hielt sie aber trotzdem mit erstaunlicher Kraft fest, als sie sich losreißen wollte. »Und vielleicht ist es sogar gut so. Irgendwann
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