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Die Tochter der Wälder

Die Tochter der Wälder

Titel: Die Tochter der Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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tief, gebt der Erde zurück, was sie euch gibt …«
    Sie wurde müde, sie verlor ihr Lebensblut, aber sie hatte noch ein Lächeln für uns beide, und wir versuchten, durch die Tränen zurückzulächeln. Wir verstanden kaum, was sie uns sagte, aber wir wussten, dass es wichtig war. »Diarmid«, sagte sie, »pass auf deine kleinen Brüder auf. Teile dein Lachen mit ihnen.« Ihre Stimme wurde leiser. »Liam, Sohn. Ich fürchte, es wird eine Weile lang schwer für dich werden. Du wirst ihr Anführer sein, und du bist so jung für eine solche Last.«
    »Ich werde es schaffen«, sagte ich und verkniff mir die Tränen. Leute waren im Zimmer beschäftigt, ein Arzt murmelte vor sich hin und schüttelte den Kopf, Frauen brachten die blutigen Tücher weg, und jemand versuchte, uns wegzuschicken. Aber Mutter sagte, nein, noch nicht, und sie schickte sie alle weg, nur einen kleinen Augenblick. Dann versammelte sie uns um ihr Bett, um Lebewohl zu sagen. Vater war draußen. Er behielt seinen Schmerz für sich, selbst damals.
    Also sprach sie leise mit uns allen, ihre Stimme wurde immer leiser. Die Zwillinge standen zu ihren beiden Seiten, beugten sich vor, einer ein Spiegelbild des anderen, die Augen grau wie der Winterhimmel, das Haar dunkelbraun und schimmernd wie eine reife Kastanie.
    »Conor, mein Herz«, sagte sie. »Erinnerst du dich an den Vers über die Hirschkuh und den Adler?« Conor nickte, sein kleines Gesicht sehr ernst. »Dann erzähl es mir«, flüsterte sie.
    »Meine Füße werden leise sein wie die eines Hirschs im Wald«, sagte Conor und runzelte vor Konzentration die Stirn. »Mein Geist wird so klar sein wie Wasser vom heiligen Brunnen. Mein Herz wird so stark sein wie eine große Eiche. Mein Geist wird sich ausbreiten wie Flügel eines Adlers und davonfliegen. Das ist der Weg der Wahrheit.«
    »Gut«, sagte sie. »Vergiss es nicht und erzähle es deiner Schwester, wenn sie älter ist.«
    Wieder ein ernstes Nicken.
    »Es ist so ungerecht!« rief Cormack, und Tränen des Zorns überwältigten ihn. Er schlang die Arme um ihren Hals und klammerte sich an sie. »Du darfst nicht sterben! Ich will nicht, dass du stirbst!«
    Sie strich ihm übers Haar, tröstete ihn mit sanften Worten, und Conor ging um das Bett, um die Hand seines Zwillings zu nehmen, und Cormack wurde still. Dann hielt Diarmid Padraic hoch, dass Mutter die beiden einen Augenblick lang umarmen konnte. Finbar, der neben ihrem Kissen stand, war so still, dass man ihn beinahe hätte übersehen können, und beobachtete schweigend, wie sie ihre Söhne losließ, einen nach dem anderen. Ihm wandte sie sich als letztem zu, und diesmal sagte sie kein Wort, sondern bedeutete ihm nur, den Stein zu nehmen, den sie um den Hals trug, und ihn sich selbst umzuhängen. Er war damals noch so klein, dass die Schnur ihm bis auf die Taille hing. Er schloss die Faust um das Amulett. Für ihn brauchte sie keine Worte.
    »Meine Tochter«, flüsterte sie schließlich. »Wo ist meine Sorcha?« Ich ging nach draußen und fragte, und die dicke Janis kam und legte meiner Mutter das neugeborene Baby in die Arme. Mutter war inzwischen fast zu schwach, um das kleine Bündel zu halten. Finbar rückte näher heran und half mit seinen kleinen Händen, die Last zu stützen. »Meine Tochter wird stark sein«, sagte Mutter. »Die Magie ist stark in ihr, wie in euch allen. Seid ehrlich zu euch selbst und zu euren Geschwistern, meine Kinder.« Dann lehnte sie sich zurück, schloss die Augen, und wir gingen leise nach draußen, und so wurden wir nicht Zeugen ihres Todes. Wir pflanzten den Samen in den Boden am Seeufer, und der Baum nahm Gestalt an und begann zu wachsen. Sie ist nicht mehr bei uns, aber der Baum lebt, und durch ihn gibt sie uns ihre Kraft, die die Kraft alles Lebendigen ist.
    ***
    Mein Vater hatte nicht nur Feinde, sondern auch Verbündete. Das ganze nördliche Land war ein Flickwerk von Túaths wie seinem, einige größer, die meisten erheblich kleiner, zwischen denen ein unsicherer Waffenstillstand herrschte. Weit im Süden, in Tara, regierten der Hochkönig und seine Gefährtin, aber hier, in der Abgeschiedenheit von Sevenwaters, berührte uns ihre Autorität nicht sonderlich, ebenso wenig wie unsere lokalen Fehden sie berührten. Allianzen wurden am Ratstisch geschmiedet, durch Ehen verstärkt und häufig durch Streitereien über Vieh oder Grenzen wieder gebrochen. Es gab Scharmützel und Kämpfe genug, aber nicht gegen unsere direkten Nachbarn, die meinen Vater achteten

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