Die Tochter der Wälder
in seinen Gedanken Zorn und Verwirrung, wie ich sie vorher nie bei ihm bemerkt hatte.
Es geht nicht darum, dass ich dir nicht trauen würde. Ich traue ihm nicht.
Ich hatte nie zuvor die schwächeren Wesenszüge einer Frau gezeigt; tatsächlich bin ich trotz meiner geringen Größe und offensichtlichen Zerbrechlichkeit stark und imstande, viel zu ertragen. Ich hätte mich auch nie eines solchen Betrugs für fähig gehalten und riskierte viel, indem ich auf Simons mögliche Reaktion setzte. Aber zu diesem Zeitpunkt war es das einzige, was mir einfiel. Also stöhnte ich leise, knickte in den Knien ein, und es spricht für Simon, dass er das Messer fallen ließ und mich auffing, bevor ich zu Boden sackte. Ich ließ die Augen fest geschlossen, lauschte auf Finbars Äußerungen brüderlicher Sorge und bemerkte, dass Simon seine Waffe wieder aufhob und meinen Bruder warnte. Dann hörte ich Vater Briens Stimme – er war sofort an meiner Seite und wischte mir das Gesicht mit einem feuchten Tuch ab, das nach Lavendel roch. Ich öffnete vorsichtig die Augen und entdeckte, dass der gute Vater mich sehr misstrauisch ansah.
Ich drehte den Kopf. Finbar saß, wo er zuvor gesessen hatte, im Schneidersitz, kerzengerade, und seinem Gesichtsausdruck war nichts zu entnehmen. Ich drehte mich in die andere Richtung. Simon war sehr nah, mit dem Rücken gegen einen großen Stein gelehnt, das Messer in beiden Händen. Ich hatte das Gefühl, dass er mich beobachtete, aber nun hatte er den Blick abgewandt und zu den Bäumen gerichtet. Die Farbe seiner Haut gefiel mir nicht, denn es war jenes verschwitzte Weiß, von dem ich gehofft hatte, es nie wieder sehen zu müssen.
Alle vier wussten wir nicht, was wir als Nächstes tun sollten. Das Problem wurde unerwartet von Linn gelöst, die genug von ihrer Kaninchenjagd hatte und nun aus dem Wald auf uns zugerannt kam, begeistert, so viele Freunde gleichzeitig zu entdecken. Erst sprang sie Finbar an, stellte ihm die Vorderpfoten auf die Schultern und wusch sein Gesicht. Dann kam sie herüber zu mir, kümmerte sich nicht um meinen angeblich so zarten Gesundheitszustand und drückte mir im Vorbeispringen fest die Pfoten in den Magen. Sie umkreiste Simon, bebend vor Erwartung, aber immer noch bemüht, ihm nicht wehzutun.
»Nun, Kinder«, sagte Vater Brien sachlich, »ich hole einen Becher Met, denn ich glaube, das könnten wir alle brauchen. Und dann unterhalten wir uns. Ich flehe euch an, versucht einen Augenblick lang, einander nicht wehzutun.«
Er stand auf, und Simon ließ ihn gehen. Mir allerdings gestand er nicht die Freiheit zu, dasselbe zu tun, denn sobald ich mich aufrecht setzen konnte, spürte ich wieder seine Hand um meinen Arm. Er verfügte eindeutig über Kraftreserven, die nicht einmal ich vermutet hatte.
Wir saßen in unbehaglichem Schweigen, bis Vater Brien mit einem Krug und ein paar Bechern zurückkehrte, dann begann Finbar, in unserer Sprache zu sprechen.
»Nein!« sagte ich und schnitt ihm das Wort ab. »Sprich so, dass Simon dich verstehen kann. Es hat schon genug Geheimnisse gegeben.«
»Kommt schon«, fügte Vater Brien hinzu und reichte jedem von uns einen Becher, »tun wir zumindest so, als herrschte Waffenstillstand. Ich glaube, Finbar ist in einer friedlichen Angelegenheit hier, junger Mann; er wollte seine Schwester abholen und nach Hause bringen.«
»Wie du sehen kannst, bin ich unbewaffnet«, sagte Finbar, die Hände offen auf den Knien. Eine Haarsträhne fiel ihm über die Augen, aber er versuchte nicht, sie wegzuschieben. Ich war es, der seine ganze Aufmerksamkeit galt. »Ich bin hier, um Sorcha zu holen, das ist alles. Ich wollte mich auch nach deiner Gesundheit erkundigen, um zu sehen, ob es wert war, dich zu retten, aber damit werde ich mich jetzt nicht mehr abgeben.«
Er hat nicht vor, mir wehzutun. Siehst du das denn nicht?
Finbar schaute mich ungläubig an. Simon schwieg; der Becher stand unberührt im Gras neben ihm. Ich spürte seine Hand auf meiner Haut brennen, durch den dünnen Stoff meines Kleides. Der Hund schnupperte am Met. »Gibt es Neuigkeiten von deinem Vater, Finbar?« fragte Vater Brien beiläufig.
»Noch nicht. Es wird wohl noch etwas länger dauern. Dein Patient wird in Sicherheit sein, bis er reisen kann. Es wäre gut, wenn man dasselbe von meiner Schwester sagen könnte. Für eine, die hierher gekommen ist, um zu heilen, hat man sie offenbar nicht gut behandelt. Ich denke, ich bin gerade noch rechtzeitig aufgetaucht.«
Simons Stimme
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