Die Tochter der Wälder
kehrte zu meinem Hocker zurück, um meine Prellungen einzureiben. Rings um meinen Oberarm gab es einen Ring roter Haut. Die Salbe daraufzureiben, linderte den Schmerz ein wenig.
Etwas bewirkte, dass ich aufblickte, als ich den Tiegel wieder schloss. Simon war immer noch wach, hatte die schweren Lider noch nicht ganz geschlossen. »Du bekommst zu schnell blaue Flecken«, sagte er undeutlich. »Ich wollte dir nicht wehtun.« Dann schlief er ein. Der Hund drängte sich dichter an ihn, zwängte sich auf den schmalen Strohsack neben ihn.
Nun war ein wenig Zeit für Erklärungen und Entscheidungen. Ich ging zur Hütte, und wir blieben dort, aber ließen die Tür auf, denn wie ich den anderen sagte, Linn würde sich bemerkbar machen, falls Simon erwachte. Vater Brien bestand darauf, dass Finbar und ich etwas aßen und tranken, obwohl keiner von uns Lust dazu hatte.
Es dauerte eine Weile, bis wir Finbar überredet hatten, wieder nach Hause zu gehen. Er glaubte immer noch, dass ich in Gefahr war, und schwor, dass Conor nie erlauben würde, dass ich blieb. Ich benutzte seine eigenen Argumente gegen ihn: Man sollte nicht annehmen, dass ein Brite böse war, nur wegen seines hellen Haares, seines hohen Wuchses oder seiner seltsamen Sprache. Er war ein menschliches Wesen mit Stärken und Schwächen, genau wie wir. Hatte Finbar das nicht oft selbst gesagt, selbst zu unserem Vater?
»Aber er hat gedroht, dich zu töten«, meinte Finbar gereizt, »er hat dir ein Messer an die Kehle gehalten.«
»Er ist krank«, sagte ich. »Er hat Angst. Und ich bin hier, um ihm zu helfen. Außerdem hat man mir gesagt …« Ich hielt inne.
Finbar warf mir einen scharfen Blick zu. »Was gesagt?«
Ich konnte nicht lügen. »Man hat mir gesagt, ich müsse es tun. Es sei nur der erste Schritt auf einem langen, schwierigen Weg. Ich weiß, dass ich es tun muss.«
»Wer hat dir das gesagt, Sorcha?« fragte Vater Brien sanft. Beide starrten mich jetzt neugierig an. Ich wählte meine Worte sorgfältig.
»Erinnert ihr euch an Conors alte Geschichte über Deirdre, die Herrin des Waldes? Ich glaube, sie war es.«
Vater Brien schnappte nach Luft. »Du hast sie gesehen?«
»Ich glaube schon«, erklärte ich überrascht. Welche Reaktion ich auch von ihm erwartet hatte, diese ganz bestimmt nicht. »Sie sagte mir, dies sei mein Weg. Es tut mir Leid, Finbar.«
»Dieser Brite«, sagte Finbar bedächtig. »Er ist nicht der Erste, den ich kennen gelernt oder mit dem ich gesprochen habe. Die anderen waren jedoch älter, abgehärteter und gleichzeitig schlichter. Sie waren froh, frei zu sein und gehen zu können. Der da spielt Spielchen, er spielt mit uns und genießt unsere Verwirrung. Wenn man dir tatsächlich solche Anweisungen gegeben hat, dann hast du keine andere Wahl, als zu gehorchen; aber ich kann kaum glauben, dass dieser Junge dir nichts Böses will. Ich lasse dich nur ungern hier zurück, und ich denke, Conor wäre ganz meiner Meinung.« Er zwirbelte eine Haarlocke zwischen den Fingern. Inzwischen hatte sein Gesicht wieder Farbe angenommen, aber seine Miene war grimmig.
Ich starrte ihn an. »Wieso sollte Conor das entscheiden?« fragte ich. »Er führt vielleicht im Augenblick den Haushalt, aber er ist erst sechzehn.«
»Conor ist älter als seine Jahre«, sagte Vater Brien auf seine gemessene Weise. »Darin ist er euch beiden ähnlich. Auch er hat einen Weg. Ihr haltet diesen Bruder für nichts Besonderes; der stille Conor mit seiner festen Verlässlichkeit und seiner Sanftheit und Gerechtigkeit und seinem Schatz an Wissen. Aber ihr kennt ihn weniger gut, als ihr glaubt.«
»Er scheint eine Menge seltsamer Dinge zu wissen«, meinte ich. »Dinge, die einen überraschen.«
»Wie die Og-ham«, sagte Finbar leise. »Die Zeichen, und wo man sie findet und wie man ihre Bedeutung liest. Was wir davon wissen, haben wir von Conor gelernt.«
»Und das weiß er nicht aus einem Buch.«
»Conor kennt sich in vielen Dingen aus«, meinte Vater Brien und schaute aus seinem kleinen Fenster. Die Spätnachmittagssonne fiel auf die Strähnen ergrauenden Haares um seinen kahlen Hinterkopf und ließ sie zu einer Flammenkrone werden. »Einiges davon hat er von mir gehört, wie ihr anderen auch. Einiges hat er sich aus Manuskripten beigebracht, die in der Bibliothek eures Vaters verstaubten, wie du, Sorcha, was Kräuter und Arzneien angeht. Wenn ihr älter werdet, werdet ihr feststellen, dass Conor außer diesem Wissen noch andere Fähigkeiten hat; er kennt sich
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