Die Tochter der Wanderhure
siehst von Mal zu Mal unzufriedener aus!«
Trudi schniefte und ballte die Fäuste. »Wie soll ich zufrieden sein, wenn alles ganz anders geht, als ich es mir wünsche?«
»Es geht selten so, wie der Mensch es sich wünscht. Komm, setz dich und iss mit uns! Oder willst du zum Ziegenhof hinüber?«
Trudi schüttelte vehement den Kopf. Seit der Sohn ihrer Patentante vom Würzburger Bischof in den Ritterstand erhoben worden war, redete ihre Mutter immer wieder davon, sie mit Michi zu verheiraten. Zwar sprach die alte Hiltrud sich dagegen aus, doch es gab genug Leute auf Kibitzstein, die diese Verbindung guthießen oder sie sogar herbeiwünschten. Zu denen gehörte Alika jedoch nicht, und deswegen war sie Trudis engste Freundin geworden.
Während die Mohrin einen Teller mit Hirsebrei füllte, der auf fremdartige Weise gewürzt war, musterte sie Trudi mit schräg gelegtem Kopf. Es war noch kein Jahr her, dass das Mädchen ihrsein Herz ausgeschüttet und seine Liebe zu Gressingen gebeichtet hatte. Damals war Trudi von Trotz erfüllt gewesen. Jetzt aber zuckten ihre Mundwinkel schmerzhaft, und ihre Augen wirkten wie von Trauer umflort.
»Es ist eigenartig, wie Menschen sich in so kurzer Zeit verändern können. Du hast innerhalb des letzten Jahres mehr Leid ertragen als manche in ihrem gesamten Leben und bist vom Kind zur Frau gereift.«
»Ich habe viel Schuld auf mich geladen. Vater würde noch leben, wenn ich nicht so unbesonnen gewesen wäre.« Trudi senkte den Kopf und begann zu weinen.
Alika legte ihr den Arm um die Schulter und zog sie an sich. »Woher willst du wissen, ob Pratzendorfer ihn nicht auf eine andere Art und Weise hätte ermorden lassen?«
»Du meinst, dieser grässliche Prälat hätte Papa unter allen Umständen tot sehen wollen?«
»Davon bin ich überzeugt!« Alika hatte sich lange mit Marie über die Geschehnisse unterhalten und auch sonst ihre Ohren gespitzt, um alles zu erfahren, was Kibitzstein und seine Nachbarn betraf. Dabei waren der auf geheimnisvolle Weise umgekommene Prälat und sein Wirken monatelang ein Thema gewesen. In ihren Augen hatte Pratzendorfer sich unheilvoll in die Politik des Hochstifts eingemischt, und Michel Adler war seinen Plänen im Weg gewesen. Aber selbst dann, wenn Maries Gemahl von Gressingen umgebracht worden war, ohne von dem Prälaten dazu angestiftet worden zu sein, so hatte dieser versucht, von dem Mord zu profitieren.
Trudi wischte ihre Tränen ab und sah sie dankbar an. »Daran habe ich noch nicht gedacht! Ich war fest davon überzeugt, es hätte wirklich nur mit mir zu tun gehabt.«
»Die meisten Menschen machen sich viel zu viele Gedanken.
Dazu gehört auch deine Mutter. Aber du darfst ihr deshalb nicht böse sein.«
»Ich und ihr böse! Um Gottes willen, nein! Sie hat viel mehr Grund, mir zu zürnen. Ich habe ihr viel Kummer und Leid gebracht.«
»Aber auch viel Freude und Glück. Vergiss das nicht. Zum Leben gehört beides, wenn es ein gutes Leben sein soll.« Alika klopfte Trudi aufmunternd auf die Schulter und forderte sie auf zuzugreifen.
»Oder schmeckt dir mein Essen nicht mehr?«
»Doch, das tut es!« Um dies zu beweisen, stieß Trudi ihren Löffel in den Hirsebrei, doch bevor sie den ersten Bissen essen konnte, hörte sie das Traben etlicher Pferde und sprang auf.
»Das muss Junker Peter sein!« Ihre Stimme jubelte, und der Napf war ebenso vergessen wie Alika, die mit einem nachsichtigen Lächeln zusah, wie Trudi zur Tür hinausstürzte und dabei vergaß, sie wieder zu schließen.
Alika zog Trudis Löffel aus dem Brei, wusch ihn ab und steckte ihn in die Tasche, um ihn ihrer Freundin zurückzugeben. So kopflos, wie Trudi im Augenblick war, würde sie nicht mehr wissen, wo sie ihn gelassen hatte. Während sie dem Mädchen langsam zur Burg folgte, sagte sie sich, dass Eichenloh wohl zur rechten Zeit erschienen war. Lange hätte Trudi die Ungewissheit nicht mehr ausgehalten, und die Mohrin hatte schon befürchtet, das Mädchen würde wieder heimlich aufbrechen und sich auf die Suche nach dem Söldnerführer machen. Jetzt blieb nur zu hoffen, dass er wirklich an ihr interessiert war, denn sonst würde Trudi doch noch den Sohn ihrer Patentante heiraten müssen, und das war keine Verbindung, die unter einem Glücksstern geschlossen werden würde.
18.
P eter von Eichenloh stieg aus dem Sattel und warf dem herbeieilenden Lampert mit einem knappen Nicken die Zügel zu. Dann musterte er den Burghof, die Wehrmauern und die Gebäude, als müsse er
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