Die Tochter der Wanderhure
lassen oder ein Kloster stiften. Dies mag mir helfen, das Fegefeuer schnell hinter mich zu bringen und der Freuden des Paradieses teilhaftig zu werden.«
»Damit wären wir uns ja einig.« Michel wollte schon aufatmen, doch sein Gastgeber schüttelte den Kopf.
»So schnell geht das nicht. Bevor ich mich entscheide, will ich noch mit meinem Prediger reden. Kommt in einer Woche wieder. Dann erhaltet Ihr Bescheid.«
Michel sah dem Kranken an, dass er nicht mehr als dieses halbe Zugeständnis erreichen konnte, und trank seinen Becher aus. »Ich werde wiederkommen, Ritter Hans, und dann werden wir gewiss handelseinig werden. Nun aber Gott befohlen.«
»Gott befohlen!« Der Dettelbacher trank seinen Krug leer und stand auf. Für einige Augenblicke schien er zu überlegen, ob er seinem Gast das Geleit bis in den Hof geben sollte, dann aber ließ er seine Schultern nach vorne sinken und schlurfte wortlos davon.
Michel sah ihm nach und schüttelte sich bei dem Gedanken, was aus dem früher so trinkfesten, allzeit fröhlichen Ritter Hans geworden war. Gleichzeitig bedauerte er es, dass er den Kauf des Marktorts nicht auf der Stelle hatte abschließen können. Der Besitz von Dettelbach hätte seine Macht in dieser Gegend so gefestigt, dass er in der Lage gewesen wäre, den Ansprüchen des Fürstbischofs entschiedener entgegenzutreten.
4.
I m Gewimmel des Marktes vergaß Trudi fürs Erste ihren Kummer über Georg von Gressingen und betrachtete die angebotenen Waren mit leuchtenden Augen. Ihr Vater hatte ihr eine hübsche Summe zugesteckt, damit sie einkaufen konnte. Zunächst aber ließ sie der Wirtschafterin den Vortritt. Erst als Anni ihre Einkäufe abgeschlossen hatte und die Sachen in den Gasthof zum Bach bringen ließ, in dem sie ihre Pferde abgestellt hatten, zupfte Trudi die Ältere am Ärmel.
»Wollen wir uns noch einmal die Stoffe ansehen?«
Anni zog die Stirn kraus. An Kleidern mangelte es Trudi wirklich nicht. Marie hatte das Mädchen bereits wegen seiner Putzsucht getadelt, aber Michel hatte nur gelacht und gesagt, sie solle ihrer Tochter doch die Freude gönnen. Das hatte zu einer deutlichen Missstimmung zwischen dem Ehepaar geführt, und Anni fürchtete neuen Streit, wenn Trudi sich Stoff für weitere Gewänder kaufte. Nicht zum ersten Mal fragte Anni sich, wieso Michel und Marie ausgerechnet bei den Dingen, die ihre gemeinsame Tochter betrafen, so unterschiedlicher Meinung waren, obwohl beide Trudi von Herzen liebten. Doch da, wo die Mutter zu streng war, hielt der Vater die Zügel selbst in Annis Augen zu schlaff in der Hand.
Trudi dauerte Annis Schweigen zu lange, daher zog sie die Wirtschafterin zu den beiden Ständen, an denen Stoffe und Tuche feilgeboten wurden. Das Mädchen hatte einen Blick für gute Qualität und griff sofort zu einem hellgrün gefärbten Stoff aus flandrischer Wolle.
»Ist der nicht schön?«, fragte Trudi mit leuchtenden Augen.
»Ja, schön teuer! Darf ich dich daran erinnern, dass du erst vor zwei Jahren ein Kleid von ähnlicher Farbe erhalten hast.« Anni schnaubte. In ihren Augen war das Mädchen allzu leichtfertig. Obwohl sie sich bemühte, zwischen Mutter und Tochter ausgleichendzu wirken, war sie in diesem Augenblick bereit, sich ganz auf Maries Seite zu schlagen.
Trudi gluckste vor Vergnügen. »Der soll auch nicht für mich, sondern für Lisa sein. Außerdem würde ich gern noch ein paar Ellen von dem blauen da drüben für Hildegard kaufen.«
Nun atmete Anni erleichtert auf. Wie es aussah, hatte Trudi ihr Unrecht eingesehen und wollte ihre Schwestern versöhnen. Sie nahm sich vor, Lisa gut zuzureden, damit diese auf das Friedensangebot einging. Bei Hildegard stand nicht zu befürchten, dass sie schmollen würde. Die Kleine war nicht nachtragend und würde selig sein, einen so schönen Stoff zu bekommen.
Daher nickte sie Trudi anerkennend zu. »Die beiden werden sich freuen. Aber wenn du für deine Schwestern Stoff kaufst, solltest du auch ein paar Ellen für dich aussuchen. Alika näht dir daraus gewiss ein Kleid, das du zum Hochzeitsfest auf Fuchsheim tragen kannst. Oder willst du vor deiner Freundin Bona nicht in einem neuen Gewand prunken?«
»So viel Geld habe ich nicht«, erklärte Trudi mit heimlichem Bedauern.
»Dann zahle ich den Stoff für Hildegard von dem Geld, das deine Mutter mir mitgegeben hat. Schau mal dieses hier! Wäre das nicht etwas für das Fest?« Anni wies auf einen Ballen blauen Tuchs, das mit silbernen Sternen bestickt war. »Der wird
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