Die Tochter der Wanderhure
denn nun konnte er Michel Adler in einem denkbar schlechten Licht darstellen und den jungen Henneberger vielleicht sogar gegen den Kibitzsteineraufhetzen. Sollte es daraufhin zu einer Fehde zwischen dem Kloster und dem Reichsritter kommen, würde Trudis Vater anderes zu tun haben, als sich mit ihm zu beschäftigen.
2.
O bwohl Peter von Eichenloh etliche Becher Wein getrunken hatte, stand er am nächsten Morgen vor Tau und Tag auf und trat ins Freie, um sich am Brunnen zu waschen. Das kalte Wasser erfrischte ihn und vertrieb auch den leichten Anflug eines Katers. Als er in den Palas zurückkehren wollte, schälte sich eine Gestalt aus dem Dämmerlicht.
Eichenlohs Hand wanderte zum Schwertgriff, ließ diesen aber sofort wieder los, als er den Mann erkannte. »Guten Morgen, Quirin. Ich wollte dich gerade wecken.«
Quirin, der eine Handbreit kleiner war als sein Anführer und beinahe quadratisch wirkte, verzog sein Gesicht zu einem breiten Grinsen. »Ich hab läuten hören, dass wir früh aufbrechen, und kann nicht sagen, dass ich deswegen traurig bin. Besonders willkommen waren wir hier nicht gerade. Graf Magnus ist ein trüber Geselle, wenn du mich fragst.«
»Er ist arg von sich eingenommen, obwohl er im Gegensatz zu seinen gefürsteten Verwandten nur ein Lehnsmann des Würzburger Bischofs ist. Stell dir vor, er wollte unbedingt, dass ich zu Herrn Gottfried reite und um gut Wetter bettele! Ha! Sehe ich aus, als wolle ich ein Speichellecker Seiner Eminenz werden?«
Eichenloh klopfte Quirin lachend auf die Schulter. Obwohl sein treuester Gefolgsmann nicht einmal für sich in Anspruch nehmen konnte, wenigstens der Bastard eines Edelmanns zu sein, hatte er sich den Rang eines Waffenmeisters und seines Stellvertreters in der kleinen Söldnerschar redlich erworben.
Quirin schnaubte und blickte Eichenloh dann wehmütig an. »Ich habe gehört, das Jüngelchen würde nicht mehr mit uns reiten, sondern bei seinem Brüderlein bleiben müssen.«
Seltsamerweise hatte der Waffenmeister, der sonst kein gutes Wort für übermütige, junge Adlige übrig hatte, eine Vorliebe für Graf Otto gefasst. Auch aus diesem Grund hatte er ihm während der anderthalb Jahre, die der junge Henneberger mit der Truppe geritten war, mehr über die Kunst des Lanzenstechens und des Schwertkampfs beigebracht, als dieser während seiner Knappenzeit hatte lernen können.
Eichenloh zuckte mit den Achseln. »Graf Magnus hat Otto einen Posten als Vogt der frommen Damen von Hilgertshausen verschafft, und unser Kleiner konnte nicht ablehnen, wenn er seinen Bruder nicht verärgern wollte.«
»Du hast es doch auch gekonnt. Zuerst hast du dich mit deinem Vater verkracht, und dann mit deinem Onkel. Du hättest fein in der Wolle sitzen können, aber du bist in die Welt hinausgezogen, um auf eigenen Füßen zu stehen.«
»Von meinem Vater rede ich nicht, und mein Onkel wollte mich mit allen Mitteln nach seinem Vorbild formen. Aber Otto ist anders. Er steht seinem Bruder sehr nahe.«
»Das mag sein. Ich werde trotzdem das Kreuz schlagen, wenn wir diese Burg hinter uns gelassen haben. Du willst doch hoffentlich nicht noch die Morgenmesse abwarten?«
»Nein, ich wollte mich nur noch von Otto verabschieden«, antwortete Eichenloh und sah sich suchend um.
»Auf den wartest du vergebens. Er war gestern Abend so betrunken, dass ihn die Knechte in seine Kammer tragen mussten, und in dem Zustand wacht er nicht vor dem Nachmittag auf.«
»So lange will ich wirklich nicht warten. Bereite alles für den Abritt vor. Ich suche nur noch Graf Magnus auf und verabschiede mich. Er soll mich nicht auch noch der Tatsache zeihen, ich habe ihm nicht die nötige Ehrerbietung entgegengebracht.«Eichenloh nickte Quirin noch einmal zu und wandte sich zum Gehen.
Doch sein Stellvertreter hielt ihn zurück. »Der Vorwurf, den dir dein Onkel bei eurem letzten Zusammentreffen gemacht hat, beißt also noch immer. Glaubst du, er wird seine damals ausgesprochene Drohung wahr machen und sich ein junges Weib nehmen, das ihm zu einem Erben verhelfen soll?«
»Wie kommst du jetzt darauf? Und wenn er es täte, würde mich auch das nicht berühren. Ich führe mein Leben und mein Onkel das seine.«
»Ich denke, er wird es nicht tun. Er ist ein erfahrener Mann, der sich gewiss nicht fragen will, ob der Knabe, der zu ihm Vater sagt, nun sein Sohn ist oder der eines schmucken Knappen oder strammen Stallknechts. Also solltest du dich darauf einrichten, irgendwann einmal sein Erbe
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